Interview mit Simon Pegg

Was war Ihre größte Erfahrung während der Dreharbeiten auf der ganzen Welt.

Das gab es sehr viele, denn es hat sich eigentlich so angefühlt, als ob man fünf verschiedene Filme gedreht hätte, weil wir an so viel unterschiedlichen Orten waren. Aber wahrscheinlich waren es die Momente in Südafrika. Der Dreh mit den echten, wilden Löwen war aufregend. Was man im Film nicht sieht, sind die Menschen um mich herum, die mit Tazern bewaffnet sind und der Zaun, den man hochgezogen hätte, wenn die Löwen sich uns bis auf zehn Meter genähert hätten. Das war schon sehr aufregend, denn ich war derjenige, der den Löwen am nächsten stand.

Wie viel Angst hatten Sie in diesem Moment?

Ich hatte nicht wirklich Angst, bis ich mich umgesehen habe und sah, wie die gesamte Crew sich in einem Minibus hinter einem Zaun verschanzt hatte. Da war mir klar, dass sie da drin waren für den Fall, dass ich gefressen werde und die Löwen an mir vorbei zu ihnen kommen würden. Das war ihre Absicherung. Aber es war okay. Es waren sehr schöne Tiere, aber sie können schneller beschleunigen als ein Formel-1-Wagen. Also musst Du sehr vorsichtig sein.

Ist denn irgendetwas Schlimmes passiert?

Ja, einer der Toningenieure wurde gefressen. (lacht)

Können Sie jetzt sagen, in welchem Land Ihrer Meinung nach die glücklichsten Menschen leben?

Von außen betrachtet scheint es für mich Afrika zu sein. Dort habe ich das meiste Glück gesehen. Es ist eine interessante Gesellschaft in einem Zustand nach der Apartheid. Zur gleichen Zeit ist die Apartheid aber nicht verschwunden, denn in der Gesellschaft wird sie vielleicht noch Hunderte von Jahren weiter existieren, da die Strukturen der Apartheid immer noch vorhanden sind. Es ist ja nicht so, als ob Nelson Mandela mit einem Zauberstab gekommen wäre und jetzt alles toll ist. Es gibt immer noch sehr viel Armut und Verzweiflung und trotzdem habe ich dort mehr Freude gespürt als sonst irgendwo während des gesamten Trips. Ich habe mehr lächelnde Menschen im Township von Brazzaville gesehen, als in der Innenstadt von London, wo die Leute grimmig durch die Straßen laufen. In Brazzaville hingegen, wo die Menschen in Hütten und von fast nichts leben, haben sie viel mehr gelächelt und gewunken. Das ergibt zwar eigentlich keinen Sinn, aber es war so.

Können Sie sich das erklären?

Ich glaube, sie haben einfach ein klareres Verständnis darüber, was es bedeutet, glücklich zu sein. In unserer Gesellschaft des Überflusses haben wir so viele Möglichkeiten, dass wir quasi davon gelangweilt sind. „Was soll ich essen? Das? Oder das? Oder das? Oder das? Dort gibt es nur ein „Ich muss das hier essen, ansonsten sterbe ich“. Das polarisiert Dein Empfinden, denn so weißt Du genau, was Glück ist, denn Du weißt was Elend ist, da Du es gerade gestern erst gefühlt hast. In der westlichen, kapitalisierten Welt werden wir hingegen ständig mit Dingen bombardiert, die wir tun, essen oder sehen können. So sind wir durch die Auswahl so verwöhnt, dass es uns schwer fällt, uns zu entscheiden. Was in gewissem Sinne bizarr ist.

Auf dem Weg zum Glück müssen wir immer wieder Barrieren überwinden. Was war ihre größte Hürde, die Sie dazu überwinden mussten?

Wahrscheinlich waren das Verpflichtungen. Bevor ich eine Familie gegründet habe, war Verpflichtung etwas schlechtes. Als ich dann ein Kind bekommen habe, war mir klar, dass ich das vielleicht schon ursprünglich hätte tun sollen. Auch wenn das vielleicht sehr kontrovers klingen mag, aber wir sind doch eigentlich nur aus einem Grund hier auf der Welt, nämlich mehr von uns zu erschaffen. Dafür sind wir hier. Auf einer sehr tiefen, genetische Ebene in der Doppelhelix können wir uns vielleicht heraus reden oder wir machen etwas anderes, das uns glücklich macht. Aber ich denke, für viele von uns geht es nur darum, das zu tun, wofür wir hier sind. Als meine Tochter zur Welt kam war mir plötzlich klar, was ich zu tun hatte. Jetzt kann ich entspannen, anstatt fragend durchs Leben zu laufen: „Was mache ich? Warum bin ich hier? Wofür ist das gut? Warum muss ich dies oder das tun?“ Nein, ich musste nur das hier tun. Es war so einfach, zumindest für mich.

Geht es beim Glück denn mehr um Liebe oder mehr um Freundschaft?

Es kann dabei um alles gehen. Es geht darum, mit der Welt in Einklang leben zu können. Darum geht es zumindest bei mir persönlich. Ich habe das Gefühl, dass mein Glücklichsein darauf basiert, meine Art von biologischer Notwendigkeit entdeckt zu haben. Und jetzt, wo ich das getan habe, habe ich das Gefühl, glücklicher sein zu können. Aber ja, ich finde mein Glück auch in Freundschaften, denn ich liebe meine Freunde und Liebe ist sehr, sehr wichtig.

Im Film wird ja die Frage aufgestellt, ob es Glück wäre, wenn man mehrere Frauen gleichzeitig lieben könnte. Das ist eine unglaublich naive und männliche Denkweise. So als ob es okay wäre, mit jeder Frau zu schlafen, solange meine Freundin es nur okay findet. Dabei geht es doch nur darum, dass ein Mann das ausleben kann, was in seiner DNS liegt – sich zu vermehren, also mehr und mehr von seinesgleichen in die Welt zu setzen. Gegen solche Ideale muss man sich in der modernen Gesellschaft wehren, wenn man glücklich sein möchte, so wie ich es mir vorstelle.

Ich habe selbst Freunde, die noch nicht zur Ruhe gekommen sind und viel Sex haben. Die haben viel Spass, aber sie sind nicht wirklich glücklich, denn es gibt ein tieferes Glück, dass Du durch Freundschaft erreichen kannst. So muss man um diesen Impuls vielleicht eher einen Bogen machen. Aber nicht viele Männer können das und verbocken es, indem sie die falsche Richtung einschlagen.

Was ist der Unterschied zwischen Zufall und Glück?

Zufall ist wie eine Fügung oder ein Schicksal. Zufall sind eben Dinge, die zufällig passieren, während Glück etwas ist, nach dem man aktiv streben kann und das man durch Anstrengung erreichen kann, was man mit Zufall nicht kann. Das passiert halt einfach.

Wie gelingt es Ihnen, Ihr Familienleben mit ihrer Arbeit in Einklang zu bringen, gerade wenn Sie dafür so viel reisen müssen?

Man muss sich dafür einfach die Zeit schaffen. Man kann keines davon auf Kosten des anderen haben. Ich lehne auch bewusst Angebote ab oder nehme sie an, um Zeit mit meiner Familie verbringen zu können. Manchmal kann ich das nicht, da habe ich dann keine Wahl, aber manchmal habe ich auch die Möglichkeit, sie mitzunehmen. Das Wichtigste für mich ist aber mein Familienleben und mein normales Leben zu Hause. So lange ist das habe, kann ich auch das andere Leben genießen.

Ich kenne auch Menschen, die nur arbeiten und sich von Job zu Job zu Job hangeln. Diese Menschen haben kein wirkliches Leben oder es findet in einem anderen Bereich statt. Ich weiss nicht, ob sie das glücklich macht oder ob sie vor etwas davon laufen. Ich persönlich kann das aber nicht, denn ich möchte ein normales Leben haben und die Exkremente meines Hundes aufsammeln. Das für mich ein normales Leben. Das ist kein Hobby, sondern etwas, das ich immer machen möchte. Ich möchte niemanden haben der das für mich erledigt.

Haben Sie selbst schon einmal die Hilfe eines Psychiaters in Anspruch genommen?

Ja, ich habe eine sehr lange Zeit in einer Nervenheilanstalt verbracht. (lacht) Nein, natürlich nicht, und wenn dem so wäre, dann würde ich hier nicht darüber reden. Das ist eine äußerst persönliche Angelegenheit. Wir alle haben doch unsere psychiologischen Probleme und die Psychiatrie wird oftmals als die Wissenschaft der Wohlhabenden belächelt. Das ist sie auch vielleicht, denn sie ist extrem teuer. Aber vielleicht würde es jedem gut tun, mit irgendwem darüber zu sprechen, was im Kopf vorgeht. Es gibt oder gab doch immer irgendetwas, was uns vielleicht im Kindesalter passiert ist und was wir nie wirklich verarbeitet haben. Das ist ja, worum es im Film auch geht, nämlich mit seinem inneren Kind in Kontakt zu bleiben, denn in der Kindheit wurden viele unserer Ansichten oder Reaktionen auf Liebe oder Sex geformt. Du musst in der Lage sein, dich einfach daran erinnern zu können, warum du etwas so fühlst, wie Du es gerade fühlst. Als Erwachsener kannst Du es dann modifizieren. Einige Menschen entgegen Dingen auf dieselbe Art und Weise wie als Kind und das ist komplett ungesund.


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