Tótem

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Besonders die Mexikaner sind bekannt für ihren ungewöhnlichen Totenkult. Das ganze Land feiert alljährlich am 2. November den „Tag der Toten“ mit einem rauschenden Fest voller Mythen. Und auch im anrührenden, poetischen Melodram TÓTEM der mexikanischen Regisseurin Lila Avilés steht der Tod im Mittelpunkt. Nur mit dem Unterschied: Der Protagonist Tona (Mateo García Elizondo) lebt noch. Doch für wie lange…

Im Mittelpunkt des Films steht die siebenjährige Sol (grandios: Naíma Sentíes). Als sie mit ihrer Mutter Cruz (Teresita Sánchez) durch einen langen Autotunnel fährt, erzählt diese ihr von einer Legende: Wenn Sol es schafft, während der Durchquerung die Luft anzuhalten, darf sie sich was wünschen. Nach glücklichem Ende ist ihr Wunsch: „Mein Vater Tona darf nicht sterben.“ Da Cruz im Theater arbeitet, liefert sie ihre Tochter bei ihrer Schwägerin Nuri (Montserrat Marañon) ab, die ihren Bruder Tona liebevoll pflegt, obwohl dieser bei Krebs im Endstadium kaum noch das Bett verlassen kann. Doch für den Abend hat er alle seine Freunde und Verwandten zu seiner Geburtsfeier eingeladen, um von ihnen Abschied zu nehmen. Und auch sein Vater ist todkrank: Wegen Kehlkopfkrebs kann dieser nur noch per elektronischer Stimmhilfe mit der Umwelt kommunizieren.

Abends sind alle Freunde da – nur Tona lässt auf sich warten. Nuri schafft es mit viel Glück, ihren Bruder zu überzeugen, sich mit letzten Kräften in den von Lampions erleuchteten Garten zu begeben, wo ihn lauter Jubel empfängt. Für den festlichen Höhepunkt haben Sol und Cruz einen spektakulären Auftritt geprobt, der alle zu Tränen rührt – auch uns Zuschauer.

Das herzzerreißende Meisterwerk ist ein Film über den Tod – und ein Plädoyer für das Leben. Diese mexikanische Großfamilie lässt sich trotz aller Missgeschicke und Streitereien nicht unterkriegen. Dieser Mut, weiterleben zu wollen, berührt uns alle.

Die Regisseurin Lila Avilés, die auch das Drehbuch schrieb, und ihr brillanter Kameramann Diego Tenorio haben diesen eher intimen Film, der an nur einem Tag spielt, im schmalen 4:3-Format und mit wackeliger Handkamera quasi im dokumentarischen Stil gedreht.

TÓTEM ist reinste Poesie! Und sehr traurig!