Ein ganzes Leben

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

EIN GANZES LEBEN in (nur) 115 Minuten – kann das gut gehen? Regisseur Hans Steinbichler versuchte sich an dem gleichnamigen, sogenannten „Jahrhundertroman“ von Robert Seethaler, bekannt geworden durch den auch verfilmten Bestseller „Der Trafikant“. Eigentlich verlangt der Stoff einen Film in epischer Länge – doch dem Regisseur gelang das Kunststück, auch in dieser Kürze EIN GANZES LEBEN zu erzählen. Zugute kam seinem Projekt, dass der Film fast vollständig in den Alpen spielt, in denen – wie wir wissen – die Zeit fast stehengeblieben zu sein scheint.

Österreich, um 1900: Als Waisenjunge landet Andreas Egger (Ivan Gustavik) auf dem Hof von Hubert Kranzstocker (Andreas Lust), einem angeblich gottesfürchtigen, aber im Herzen bösartigen Bauern, der Andreas als billige Hilfskraft einsetzt. Nur in der Gestalt der alten Hausangestellten Ahnl (Marianne Sägebrecht) findet der Junge eine fürsorgliche Seele. Nach deren Tod flieht der inzwischen erwachsene Andreas (Stefan Gorski) vom Hof und heuert bei einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten österreichischen Seilbahnen baut, die Elektrizität und Touristen in die Berge bringen sollen. Andreas entpuppt sich als fähiger und ehrgeiziger Arbeiter, der seine Kollegen mit seinem Enthusiasmus anstacheln kann.

Mit seinem Ersparten pachtet Andreas vom Wirt (Robert Stadlober) eine abgelegene Holzhütte und zieht mit seiner großen Liebe Marie (Julia Franz Richter) auf die Alm, wo er nebenberuflich einen Gemüsegarten anlegt. Doch eine Lawine beendet das kurze Glück. Im Zweiten Weltkrieg landet Andreas im Kaukasus (auch ein Gebirge) und in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Am Ende seines langen Lebens erinnert sich Andreas (jetzt: August Zirner) an die bewegten Jahre.

Kameramann Armin Franzen hat die Alpenlandschaft kongenial eingefangen, und Regisseur Hans Steinbichler hat das alles liebevoll inszeniert. Eines kann man Steinbichler vorwerfen – muss man aber nicht: Der Erzählfluss birgt kaum Überraschungen – doch die vielen Zeitsprünge meistert er elegant. Die Ellipse ist ständiges Stilmittel in EIN GANZES LEBEN. Und es funktioniert!