Miss Holocaust Survivor

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Es ist zwar nur eine Binsenwahrheit, aber: Ein wichtiges Thema muss nicht unbedingt einen guten Film ergeben. Auch für den Dokumentarfilm MISS HOLOCAUST SURVIVOR des in Polen geborenen, deutschen Regisseurs Radek Wegrzyn gilt die klassische, ein bisschen brutale Frage: Brauchen wir das? Das Thema ist der Holocaust und dessen Überlebende – wichtig genug! Auch noch nach dem überlangen Jahrhundert-Klassiker „Shoah“ (1985) von Claude Lanzmann.

Die Story ist bizarr genug: Bis 2021 fand im israelischen Haifa alljährlich ein Schönheitswettbewerb für betagte Frauen statt, die den Holocaust überlebt haben und inzwischen zum größten Teil in einem für sie eingerichteten Altersheim wohnen. Zwölf Frauen im Alter von 77 bis 95 Jahren wollen unbedingt den Wettbewerb gewinnen – denn sie wissen: Diese alten Damen gehören zur letzten Generation der Überlebenden.

Trainer bereiten sie an mehreren Probentagen auf den großen Auftritt vor: Kleider, Schmuck, Makeup, die Bewegungen auf dem Laufsteg – alles muss stimmen. Für die Jury zählt dabei nicht nur das Aussehen, sondern auch das schwere Schicksal während der Nazizeit.

Im Zentrum des Films stehen Rita Kasimow-Brown und Tova Ringer. Die Polin Rita lebte als Siebenjährige mit ihrer Schwester, ihrem Bruder und ihren Eltern 19 Monate in einem winzigen Erdloch und durfte die Grube in der Zeit niemals verlassen. Nach Kriegsende emigrierte sie in die USA und siedelte 1974 nach Israel über. Tova überlebte die KZ von Auschwitz und Bergen-Belsen. Um nicht wieder Opfer zu sein, trainiert sie auch heute noch täglich eine Stunde mit Hanteln.

Doch die Proben laufen nicht immer friedlich. Manche der Damen zeigen ihre Krallen, was der Regisseur genüsslich zelebriert. Auch in diesem Alter will jede gewinnen. Was für eine makabre Pointe!

Gut gemeint: Dieses Urteil darf man Radek Wegrzyn wohlwollend geben. Doch der Erkenntnisgewinn ist eher gering.