Der Film der Woche

Civil War

18.04.2024

Er hat es wieder getan: In seinem neuen Film CIVIL WAR zeigt uns der visionäre Autor und Regisseur Alex Garland erneut eine Welt, die eigentlich undenkbar war. Die USA befinden sich in einem Bürgerkrieg und Garland stellt die wichtigste aller Fragen: Wollen wir wirklich auf so etwas zusteuern?

Es herrscht Bürgerkrieg in den USA, das Land ist zuriefst zerrüttet und hat sich in zahlreiche Gruppierungen aufgespalten. Kalifornien und Texas haben sich zur Western Front zusammengeschlossen, die gegen die föderale Regierung rebelliert und sich auf dem Vormarsch in Richtung Washington befindet. Dort werden sie vermutlich in wenigen Tagen den noch amtierenden Präsidenten (Nick Offerman) zur Kapitulation zwingen.

Die gestandene Kriegsreporterin Lee (Kirsten Dunst) ist erschrocken, in was für eine Richtung sich ihr Land entwickelt hat. „Jedes Mal, wenn ich in einem Kriegsgebiet überlebte, dachte ich, ich würde Warnungen nach Hause schicken: Macht das nicht“, sagt sie in einer der Anfangsszenen. ‚Und doch stehen wir jetzt hier.“ Als sich die Gelegenheit ergibt, ein womöglich letztes Interview mit dem Präsidenten zu führen, macht sie sich gemeinsam mit ihren Kollegen Joel (Wagner Moura) und Sammy (Stephen McKinley Henderson) auf den Weg nach Washington. Die junge, ehrgeizige Nachwuchsfotografin Jessie (Cailee Spaeny) schließt sich ihnen an, was Lee eigentlich überhaupt nicht passt, denn Jessie lässt sich zu oft von den Geschehnissen um sie herum mitreißen. „Es ist nicht unsere Aufgabe, etwas zu verurteilen. Wir berichten, damit andere ein Urteil fällen können“, erklärt ihr Lee in einer entscheidenden Szene und wird damit widerstrebend zu einer Art Mentorin für Jessie.

Und so reisen die vier durch ein Land am Abgrund und müssen feststellen, dass ein Krieg in einem bewohnten Gebiet immer auch zivile Opfer fordert. Besonders wenn gar nicht mehr wirklich klar ist, wofür man überhaupt kämpft, gibt es meist nur noch den unerbittlichen Willen zu überleben. So bleibt es auch nicht aus, dass Menschen die Gelegenheit nutzen, um sich unliebsamer Mitbürger zu entledigen. Gelegenheit macht halt Diebe. Das zeigt Garland in einer Szene relativ zu Beginn des Roadtrips nach Washington. An einer Tankstelle haben bewaffnete Männer zwei andere gefoltert und aufgehängt. Warum? Nun, „wir sind sogar zusammen zur Schule gegangen, da hat er schon nicht mit mir geredet“, ist die lapidare, erschütternde Antwort.

Garland erklärt übrigens zu keinem Zeitpunkt, wie es überhaupt zu diesem Bürgerkrieg gekommen ist. Das ist auch nicht relevant, schließlich wissen die Menschen oftmals gar nicht, wer da gerade aus dem Hinterhalt auf sie schießt. „Er schießt auf mich, also ist er mein Feind“, ist oftmals die viel zu kurz gefasste Antwort. Und so kämpft jeder gegen jeden in einem mehr als aussichtslosen Kampf. Nur so viel wird klar: Offenbar hat der Präsident nach Antritt seiner dritten Amtszeit nicht nur das FBI aufgelöst, sondern auch Luftschläge gegen seine eigene Bevölkerung angeordnet.

Das Erschreckende an CIVIL WAR ist, wie nah wir doch gerade an einer Situation wie dieser sind. Werden wir eine solche Utopie erleben, wenn Trump im November die Wahl verliert? Oder wenn er gewinnen sollte? Vielleicht ist Garlands Film auch so etwas wie eine Warnung, vielleicht kommt er doch noch zur richtigen Zeit. Ich hoffe inständig, dass wir diese Frage niemals beantworten müssen.

CIVIL WAR ist aber auch deshalb so intensiv, weil Garland das Geld zur Verfügung stand, um seine Geschichte groß in Szene setzen zu können. Man munkelt, es sei das zweitgrößte Budget, das Produzent A24 jemals für einen Film freigegeben hat (nach „Beau is Afraid“ von Ari Aster). Die Momente, in denen ich mich beinahe schweißgebadet an den Kinosessel geklammert habe, sind kaum an einer Hand abzählbar. Das was Garland hier auf die Leinwand gezaubert hat, ist schier unglaublich intensiv.

Was mich zudem massiv begeistert hat, ist Kirsten Dunst, die hier wirklich die Rolle ihres Lebens abliefert. Bereits Friedrich Nietzsche schrieb: „Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ Genau diesen Abgrund sieht man diverse Male in Dunsts Augen. Es ist erschreckend, wie deutlich sie den erlebten Horror nur durch Mimik und Körperhaltung zum Ausdruck bringt. Aber auch Cailee Spaeny überzeugt auf ganzer Linie, schließlich kann sie hier im Gegensatz zu ihrer Rolle als Priscilla Presley in Sofia Coppolas „Priscilla“ endlich mehr von sich zeigen, als nur hübsch auszusehen. Damit will ich ihre Figur und den Film selbst nicht schmälern, auf gar keinen Fall. Aber dort war sie halt nur das schmückende Beiwerk von Elvis Presley. Hier hingegen zeigt sie mehr als deutlich, warum die Filmwelt in Zukunft nicht um sie herumkommen wird.

In seinen vorherigen Filmen hat uns Alex Garland immer wieder fremde Welten gezeigt, verbunden mit der Frage, ob wir darauf überhaupt vorbereitet sind. Sei es beim Thema künstliche Intelligenz in „Ex Machina„, der Macht der Natur in „Annihilation“ oder toxische Männlichkeit in „Men – Was Dich sucht, wird Dich finden„, Garlands Filme waren in gewisser Weise immer auch als eine Art Warnung zu verstehen. Das ist bei CIVIL WAR nicht anders, nein, hier treibt es der Autor und Regisseur komplett auf die Spitze. Gerade das macht CIVIL WAR so einzigartig und vor allem wichtig. Ein absolutes Must-See, keine Frage!

Trailer

ab16

Originaltitel

Civil War (USA 2024)

Länge

109 Minuten

Genre

Action / Thriller / Drama

Regie

Alex Garland

Drehbuch

Alex Garland

Darsteller

Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny, Stephen McKinley Henderson, Sonoya Mizuno, Nick Offerman

Verleih

DCM Film Distribution GmbH

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