Wir könnten genauso gut tot sein

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Ein bisschen Science-Fiction-Dystopie, ein bisschen Corona-Allegorie, ein bisschen Kafka-Parabel: WIR KÖNNTEN GENAUSO GUT TOT SEIN von Natalia Sinelnikova ist starker Tobak! Die Regisseurin wurde 1989 im heutigen St. Petersburg geboren und emigrierte mit sieben Jahren gemeinsam mit ihrer russisch-jüdischen Familie nach Deutschland. Nach ihrem Studium an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf ist dies ihr erster Langspielfilm.

In naher Zukunft am Rande einer anonymen Großstadt: Etliche Wohlbetuchte haben sich in einem einsam gelegenen Hochhaus eingemietet, das von einem Stacheldrahtzaun umgeben ist. Hermetisch von der Außenwelt abgeschnitten, versuchen die Bewohner ein Ereignis zu verarbeiten, das vor rund fünf Jahren stattgefunden hat. Wer denkt da nicht an die Corona-Pandemie?

Die 40-jährige, polnisch-stämmige Sicherheitsbeauftragte Anna (Ioana Iacob) und Hausmeister Gerti (Jörg Schüttauf) sorgen rund um die Uhr dafür, dass sich die Hochhaus-Bewohner jederzeit wohl fühlen. Doch allmählich macht sich Angst breit. Annas 16-jährige Tochter Iris (Pola Geiger) hat sich im Bad eingeschlossen, da sie meint, den „bösen Block“ zu haben und nur so ihre Mitmenschen schützen zu können. Nur durch die Hundeklappe in der Badezimmertür kommuniziert sie mit ihrer Mutter. Als dann auch noch Gertis Hund spurlos verschwindet, gründen die Bewohner eine freiwillige Bürgerwehr. Wie sicher ist der Zaun, wer hat den Hund getötet? Als die Probleme überhand nehmen, macht sich auch Anna ernste Sorgen. Kann ich noch für die Sicherheit im Haus garantieren, werde ich meinen Arbeitsplatz behalten?

Ein Hochhaus als Mikrokosmos: Das erinnert stark an den weitaus besseren Film „High-Rise“ des Briten Ben Wheatley, der uns vor sechs Jahren wohl alle im Kino begeistert hatte. Auch in WIR KÖNNTEN GENAUSO GUT TOT SEIN verzahnt Regisseurin Natalia Sinelnikova Satire- und Thriller-Elemente mit einer schwarzen Komödie – doch der offene Schluss wirkt höchst unbefriedigend. Da gibt es viel Diskussionsstoff im Kino-Foyer!