Große Freiheit

18.11.2021

Albert Wiederspiel, der Leiter des Filmfestes Hamburg, hatte ganz bewusst ein Zeichen gesetzt, das diesjährige Festival mit dem aufwühlenden Drama GROSSE FREIHEIT von Sebastian Meise zu eröffnen. In Zeiten, wo bestimmte gesellschaftliche Gruppen immer noch (!) gnadenlos ausgegrenzt werden, ist der Film ein visuelles und politisches Mahnmal für menschliche Selbstbestimmung. Es geht um den schrecklichen Paragraphen 175 in Deutschland: 123 Jahre lang wurden homosexuelle Männer kriminalisiert und ins Gefängnis gesteckt – nicht selten mit Strafen bis zu zehn Jahren. Erst 1969 fiel in der Bundesrepublik Deutschland das Totalverbot der Homosexualität. Doch es sollte noch 25 Jahre dauern, bis der Paragraph 175 endgültig 1994 aus den deutschen Gesetzbüchern verschwand. Eine Schande!

Sebastian Meises erschütternder Film erzählt über die Jahre das Leben von Hans Hoffmann (Franz Rogowski), der Männer liebt – schon sein ganzes Leben lang. Als ihn die Soldaten der Allierten 1945 aus dem Konzentrationslager befreien, ist seine Leidenszeit noch nicht zu Ende. Er wird sofort ins Gefängnis gesteckt, die Rechtslage will es so. Dort trifft er den verurteilten Mörder Viktor (Georg Friedrich), der aus seiner Abneigung gegen Schwule keinen Hehl macht. Hans wird entlassen – und ist kurz danach wieder hinter Gittern. Dass er sich von Mithäftlingen und Wärtern nicht unterkriegen lässt, nötigt Viktor Respekt ab. Hans’ Liebe zum ebenfalls einsitzenden Leo ist zum Scheitern verurteilt, der jungen Mann begeht Selbstmord.

Wie die beiden so unterschiedlichen Männer, Hans und Viktor, sich allmählich näherkommen, bildet das Zentrum dieses intensiven Psychodramas. Und irgendwann verlangt auch Viktor von Hans einen „körperlichen“ Gefallen. Nach Jahrzehnten kommt Hans endlich frei, doch mit dem neuen, ungehemmten Sex in den Schwulenbars kann er sich nicht anfreunden. Das ist nicht seine Welt. Bitterer Schluss eines bitteren Films.

Regisseur Sebastian Meise hat seinen reinen Männerfilm – bis auf wenige kurze Szenen – komplett in einem ehemaligen Gefängnis gedreht. Mit Franz Rogowski und Georg Friedrich hatte er zwei brillante Schauspieler an seiner Seite. Nur wir Norddeutschen tun uns schwer, Friedrichs extremen österreichischen Dialekt zu verstehen.

Es gibt im Deutschen den nicht sehr freundlichen Begriff: „gut gemeint“. Und genau das werfe ich dem Regisseur vor. GROSSE FREIHEIT ist über weite Strecken sehr didaktisch inszeniert – da spürt man ständig die natürlich (!) wichtige Botschaft. Das kann auf die Dauer sehr ermüdend sein. Das ist alles unglaublich packend, und die Akteure spielen sich die Seele aus dem Leib. Doch der Gesamteindruck bleibt zwiespältig.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab16

Originaltitel

Große Freiheit (Österreich / Deutschland 2021)

Länge

116 Minuten

Genre

Drama

Regie

Sebastian Meise

Drehbuch

Thomas Reider, Sebastian Meise

Darsteller

Franz Rogowski, Georg Friedrich, Anton von Lucke, Thomas Prenn

Verleih

Piffl Medien GmbH

Filmwebsite

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