Die Vorkosterinnen

29.05.2025

Es geschieht eher selten, dass ein fremdsprachiger Regisseur seinen Film auf Deutsch dreht. Vor einem Jahr gewann „The Zone of Interest“ des Briten Jonathan Glazer zwei Oscars, jetzt kommt das Drama DIE VORKOSTERINNEN des Italieners Silvio Soldini in unsere Kinos. Beide Filme spielen im Dritten Reich.

Der Film thematisiert ein lange geheimgehaltenes Phänomen: Adolf Hitler hatte eine Methode der alten Römer und des Vatikan (bis in die 1950er-Jahre) aufgegriffen, als Schutz vor Ermordung Vorkoster einzusetzen. In der Antike wurde dieser Sklave „Praegustator“ genannt. Es gibt zwar keine betreffenden Dokumente aus dem Dritten Reich – aber eine Zeitzeugin: Margot Woelk (1917-2014). Erst im hohen Alter hatte sie zugegeben, dass sie zu einer Gruppe von 15 jungen Frauen gehörte, die Hitlers Nahrung in der Wolfsschanze auf Toxine testen musste. Das nutzte die Autorin Rosella Postorino als Vorlage für ihren Roman „Le Assaggiatrici“ (2018), auf dem das Drehbuch zu DIE VORKOSTERINNEN basiert – mit gleich sechs (!) Autor:innen. Konnte das gut gehen?

Herbst 1943: Die junge Sekretärin Rosa Sauer (Elisa Schlott) flieht aus dem bombardierten Berlin in ein ostpreußisches Dorf in der Nähe des Führerhauptquartiers Wolfsschanze, um bei ihren Schwiegereltern Schutz zu suchen, während ihr Mann Gregor als Soldat an der Ostfront kämpft. Eines Morgens wird sie ohne Erklärung von der SS abgeholt und an einen geheimen Ort gebracht. Dort soll sie mit anderen Frauen aus dem Dorf Hitlers Essen vorkosten.

So sitzen plötzlich sieben irritierte Frauen an einem großen Tisch, streng bewacht von SS-Männern und genau beobachtet vom Koch (Boris Aljinovic). Im Lauf der Zeit – vor allem während der Rauchpausen – freundet sich die Berlinerin mit den Leidensgenossinnen an, vor allem mit Elfriede (Alma Hasun). Im wahrsten Sinn des Wortes finden die Frauen allmählich Geschmack an ihrem Job – immerhin sind sie diese Luxusspeisen im Kriegsalltag nicht gewohnt. In ihrer Freizeit schwimmen sie im nahegelegenen Fluss und werten Hitlers Angst vor einem Attentat als Paranoia.

Rosa beginnt eine heimliche Affäre mit dem neuen Kommandanten Albert Ziegler (Max Riemelt). Doch dann naht der 20. Juli 1944 – und Stauffenbergs Bombe geht hoch. Hitler überlebt zwar das Attentat, aber bei den Frauen steigt die Angst. Offenbar ist ihr Job doch nicht so harmlos wie gedacht. Und dann brechen zwei der Frauen beim Essen zusammen…

Je länger der Film dauert, umso störender werden die sich häufenden Klischees. Natürlich muss eine der Vorkosterinnen eine Jüdin unter falschem Namen sein, natürlich ist Albert innerlich gespalten – zwischen brutalem SS-Mann und sensiblem Liebhaber. Da tut sich Max Riemelt schwer, das rüberzubringen. Nur Elisa Schlott gelingt es mit intensivem Spiel, ihre schwierige Rolle mit Leben zu füllen.

Silvio Soldini (Jahrgang 1958) schafft es nicht, uns für diesen filmischen Geschichtsunterricht zu interessieren. Da bleibt doch vieles nur Routine. Immerhin hatte er den schweizer Starkameramann Renato Berta (bekannt durch Filme von Tanner, Godard, Rohmer, Rivette und Malle) an seiner Seite, der für die stimmungsvollen Bilder sorgte.

Ein ungewöhnliches Thema, solide umgesetzt. Mehr nicht!

Trailer

ab12

Originaltitel

Le Assaggiatrici (Italien / Schweiz / Belgien 2025)

Länge

123 Minuten

Genre

Drama / Historie

Regie

Silvio Soldini

Drehbuch

Rosella Postorino, Silvio Soldini, Doriana Leondeff

Kamera / Director of Photography (DOP)

Renato Berta

Darsteller

Elisa Schlott, Max Riemelt, Alma Hasun, Emma Falck, Olga von Luckwald, Thea Rasche, Berit Vander, Kriemhild Hamann

Verleih

Busch Media Group GmbH & Co. KG

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