Total Trust

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

An diesem aufwühlenden Dokumentarfilm hätte George Orwell seine helle Freude gehabt. „Big Brother is watching you“ hieß es im Science-Fiction-Roman „1984“ – und diese erschreckende Zukunftsvision ist längst Wirklichkeit geworden. In TOTAL TRUST der Regisseurin Jialing Zhang dreht sich alles um Big Data und die künstliche Intelligenz, kurz KI genannt. Die inzwischen in den USA lebende Chinesin musste ihren Film heimlich drehen – denn die Zensur kennt in ihrem ehemaligen Heimatland keine Gnade.

China ist derzeit das am stärksten überwachte Land der Erde. Die Hälfte aller weltweit eingesetzten Überwachungskameras sind hier installiert, neue Technologien kontrollieren das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger. Instrumente wie das sogenannte „Social Credit Scoring“ (Mit wem habe ich Kontakt?) werden erprobt und eingesetzt. Ziel der Machthaber ist es, den „gläsernen Menschen“ zu erschaffen.

Gigantische spiegelglänzende Wolkenkratzer, futuristische Neonbeleuchtung, spektakuläres Feuerwerk: Man glaubt zu Beginn, in einem Science-Fiction-Film zu sitzen. Doch das ist das China von heute. Regisseurin Jialing Zhang erzählt in TOTAL TRUST die Geschichten dreier unbeugsamer Frauen, die leidenschaftlich für Gerechtigkeit kämpfen.

Zijuan Chen bemüht sich seit Jahren um die Freilassung ihres Mannes Weiping Chang. Der Anwalt hatte sich für Menschen eingesetzt, dessen Häuser bei Zwangsabrissen zerstört wurden. Außerdem kümmerte er sich um Personen, die am Arbeitsplatz diskriminiert wurden. Aus fadenscheinigen Gründen durfte Zijuan Chen nicht einmal beim Prozess ihres Mannes dabei sein, und wurde tagelang an der Provinzgrenze festgehalten.

Sophia Xueqin Huang ist eine engagierte Journalistin, die Fälle sexueller Übergriffe in China aufdeckte und Artikel über die #MeToo-Bewegung veröffentlichte. Derzeit wartet sie auf ihren Prozess wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“. Wenzu Li setzte sich jahrelang für die Freilassung ihres Mannes Quanzhang Wang ein, der 2015 einer von rund 300 Anwälten und Aktivisten war, die bei einer groß angelegten Verhaftungswelle ins Gefängnis kamen. Erst nach fünf Jahren wurde Wang entlassen und wird seitdem mit seiner Familie Tag und Nacht überwacht.

Brutale Überwachungsmethoden gibt es auch in anderen Ländern – doch Jialing Zhang konzentriert sich ganz auf China. Wir erleben mit schonungsloser Offenheit das Gesicht eines zynischen Unrechtsstaates. Eines ist klar: Die Regisseurin hatte nie vor, einen objektiven Film zu drehen, Polemik ist ganz bewusst eines ihrer Stilmittel.

TOTAL TRUST ist ein unglaublich wichtiger Film, der beim diesjährigen Filmfest Hamburg in der Reihe „Veto!“ läuft. Hoffen wir auf einen Preis!