Saw X

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Hand aufs Herz: Ist die Verherrlichung von Foltermethoden heutzutage überhaupt noch zeitgemäß? Und vor allem: noch tragbar? Ich meine nicht! Doch leider hat die „Saw“-Reihe seit dem ersten Film „Saw“ von 2004 eine riesige Fangemeinde. Warum tun sich Menschen diesen unsäglichen Horror-Thriller-Splatter-Trash immer noch an. Und viele von ihnen bejubeln im Kinosaal jede Blutbad-Szene. Widerlich! Jetzt kommt der zehnte Teil SAW X von Kevin Greutert in unsere Kinos.

Der neue Film liegt chronologisch zwischen „Saw“ und „Saw 2“. John Kramer alias Jigsaw (Tobin Bell) hat als gnadenloser Folterer den ersten Teil überlebt. Jetzt ist er unheilbar an Krebs erkrankt und versucht in einer Selbsthilfegruppe, seinen nahen Tod zu akzeptieren. Kursusteilnehmer Henry Kessler (Michael Beach) schlägt ihm vor, sich an die Ärztin Dr. Cecilia Pederson (Synnøve Macody Lund) zu wenden, die die Methoden ihres berühmten norwegischen Vaters fortsetzen will. Sie bietet John an, in einer Mischung aus Operation und neuartigen Medikamenten sein Hirntumor zu heilen. Aus Angst vor der Macht der großen Pharmakonzerne hat sie sich in eine abgelegene Klinik am Rande von Mexiko-Stadt zurückgezogen.

Nach der angeblich erfolgreichen OP muss John erkennen, dass die Behandlung vorgetäuscht war. Die Ärztin wollte nur an sein Geld. Mithilfe seiner Assistentin Amanda Young (Shawnee Smith) kann John Cecilia und ihrer Helfershelfer gefangennehmen und in einer stillgelegten Fabrik anketten. Jetzt beginnt die Folter. Da muss eine Frau eines ihrer Beine amputieren und das herauslaufende Knochenmark in einem Behälter sammeln, da muss ein Mann bei vollem Bewusstsein einen Teil seines Gehirns herausschneiden, da muss eine Frau, um den tödlichen Strahlen eines Röntgenapparats zu entgehen, ihre Knochen zertrümmern. Würg!

Wie abgestumpft muss man sein, um all dies zu ertragen und auch noch Geld dafür auszugeben? Was geht in den Köpfen der Macher vor? Regisseur Kevin Greutert bietet uns den perfiden Ansatz, die Foltermethoden moralisch zu entschuldigen. Schließlich will sich John Kramer alias Jigsaw nur an einer geldgeilen, skrupellosen Frau rächen. Doch Selbstjustiz ist in unserem Rechtssystem genauso verwerflich. Auf eine Szene habe ich hier ganz bewusst verzichtet: Wie komme ich angekettet an ein Seil, um einen Tisch mit einem rettenden Utensil heranzuziehen? Diese Sequenz ist so makaber, dass mir hier die Worte fehlen!

Auch ich weiß: Der Splatter-Trash wird auch nach 128 Jahren Filmgeschichte nicht aussterben. Es gibt immer noch genug Fans, die hierfür eine Kinokarte lösen. Doch in SAW X ist die Grenze überschritten. Wenn der Horror wenigstens witzig wäre? Er ist nur unerträglich zynisch!