Der Film der Woche

Moonage Daydream

15.09.2022

Der Brite David Bowie, am 8. Januar 1947 als David Robert Jones im Londoner Stadtteil Brixton geboren, war DAS Chamäleon der europäischen Rock-Szene ab der späten 1960er-Jahre – bis er 2016 zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag an Leberkrebs starb. In seinem unglaublich faszinierenden Film MOONAGE DAYDREAM wühlte sich Brett Morgen durch einen scheinbar unendlichen Wust von Archivaufnahmen aus David Bowies Leben, um ein denkwürdiges Werk zu erschaffen: Dies ist kein klassischer Dokumentarfilm über das Leben und Schaffen des einzigartigen Musikers, sondern eine ganz besondere Mischung aus Doku und Essay – ein visuelles und akustisches Wunderwerk, dessen 129 Minuten wie im Flug vorübergehen. Eine Sensation!

Das Besondere an David Bowie war: Alle paar Jahre wechselte er seinen Stil radikal – er war sein ganzes künstlerisches Leben für jede Überraschung gut! Begonnen hatte er als Popmusiker (nach eher unbedeutenden Anfängen Mitte der 1960er-Jahre) mit der Weltraumballade „Space Oddity“ – wer erinnert sich nicht an den Astronauten Major Tom, der im All verloren geht?

In der Ära des Glam-Rock entwickelte er Anfang der 1970er-Jahre die androgyne Kunstfigur des Ziggy Stardust – eine grell geschminkte Person, halb Mann, halb Frau. So trat er auch in seinen Konzerten auf und eckte damit überall an. Später entdeckte er den US-amerikanischen Soul, um 1976 etwas völlig Neues zu wagen. Er zog nach West-Berlin und kreierte mit dem Komponisten und Produzenten Brian Eno (ehemals „Roxy Music“) eine ungewöhnliche Richtung moderner Rock-Musik: So etwas hatte die Welt bis dato noch nicht gehört. Höhepunkt war der unsterbliche Hit „Heroes“ mit dem unvergleichlichen Solo des „King Crimson“-Gitarristen Robert Fripp.

Für viele seiner Fans war diese Phase zu avantgardistisch – und so öffnete er sich dem angeblichen Publikumsgeschmack, ohne dabei seine Identität zu verlieren. Heraus kamen die Single und die LP „Let’s Dance“ und eine schier nicht enden wollende Welttournee. Danach fand er Zugang zur Drum’n’Bass-Szene und zum Jazz. Nach einer kreativen Pause von zehn (!) Jahren kamen nur noch zwei CDs auf den Markt – aber dann war Schluss.

Diese atemberaubende musikalische Karriere bildet nur einen Teil von MOONAGE DAYDREAM – der Rest ist ein philosophischer Essay über die Gedankenwelt dieses begnadeten Künstlers. Aus dem Off reflektiert David Bowie über seine Sicht auf das Leben – das Archivmaterial ist schier unerschöpflich. Immer wieder erleben wir ihn in TV-Talk-Shows, in denen er unglaublich klug über die Welt meditiert. Und zwischendurch präsentiert er „uns“ sein zweites Talent: David Bowie war nicht nur nebenbei ein begabter Maler. Geschickt verzahnt Regisseur Brett Morgen diese Gemälde mit Werken der modernen Hochkultur – von Jackson Pollock bis Francis Bacon.

Und auch ein „drittes“ Standbein kommt nicht zu kurz: Kein Rockmusiker hatte so viele relevante Spielfilme gedreht wie David Bowie – von Nicholas Roegs „Der Mann, der vom Himmel fiel“ bis zu Nagisa Oshimas „Merry Christmas, Mr. Lawrence“. Für Bowies Liebe zum Kino findet Brett Morgen ein wunderbares Stilmittel: Immer wieder blendet er kurze Filmausschnitte ein – vom deutschen Stummfilm-Klassiker „Nosferatu“ bis zum Skandalfilm „Im Reich der Sinne“. Und auch David Bowies gemeinsamen Auftritt mit Catherine Deneuve in Tony Scotts „Begierde“ dürfen wir genießen.

Musiker – als Komponist, Sänger und Instrumentalist -, Maler und Filmschauspieler: David Bowies Karriere war einzigartig. Und genau das präsentiert Brett Morgen in den gut zwei Stunden. Auch wer ansonsten kein Interesse an Dokumentarfilmen hat – dies ist etwas völlig Anderes. Hingehen!

Trailer

ab12

Originaltitel

Moonage Daydream (USA 2022)

Länge

129 Minuten

Genre

Dokumentation / Musik

Regie

Brett Morgan

Drehbuch

Brett Morgan

Verleih

Universal Pictures International Germany GmbH

Filmwebsite

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