Misericordia

06.03.2025

Bekannt geworden ist der französische Regisseur Alain Guiraudie mit seinem schwulen Erotikthriller „Der Fremde am See“ (2013), der damals wegen seiner Hardcore-Elemente für einen kleinen Skandal gesorgt hatte. Jetzt kommt seine schwarze Komödie MISERICORDIA in unsere Kinos. Schon beim Filmfest Hamburg hatte sie jede Menge Lacher auf ihrer Seite.

Nach zehn Jahren kehrt der 31-jährige Jérémie (Félix Kysyl) in seinen malerischen Heimatort Saint-Martial im Südosten Frankreichs zurück, um an der Beerdigung des Dorfbäckers Jean-Pierres teilzunehmen. Als Teenager war Jérémie dessen Lehrling – und vielleicht noch mehr. Von Vincent (Jean-Baptiste Durand), dem latent gewalttätigen Sohn des Verstorbenen, wird Jérémie mit Argwohn empfangen, aber auch mit unterschwelligem Begehren. Die Bäckerswitwe Martine (Catherine Frot) bietet ihm einen Schlafplatz an und sucht bald darauf sehr direkt seine körperliche Nähe. Ambivalente sexuelle Spannungen erzeugt der mysteriöse Rückkehrer auch beim Bauer Walter (David Ayala) und beim neugierigen Pfarrer Grisolles (Jacques Develay). Als dann Vincent spurlos verschwindet, fällt der Verdacht schnell auf Jérémie…

Wie auch Tom Tykwer beim Berlinale-Eröffnungsfilm „Das Licht“ bezieht sich Alain Guiraudie unübersehbar auf Pasolinis Meisterwerk „Teorema“. Dieser Klassiker von 1968 liegt offenbar im Trend. Warum auch nicht – die Filmgeschichte lebt von Zitaten und Anspielungen.

Doch jetzt stehe ich vor einem Problem: Spoiler-Alarm! Mitten im Film kippt MISERICORDIA um – und ich darf nichts verraten. Diese Drehung um 180 Grad stellt jeden Filmkritiker vor unlösbare Aufgaben. Da hilft nur der apodiktische Satz: MISERICORDIA ist toll! Punkt!

Regisseur Alain Guiraudie, der auch das Drehbuch nach seinem eigenen Roman schrieb, schert sich nicht um Genreabgrenzungen. Der Film ist eine faszinierende Mischung aus skurriler Provinzposse, absurdem schwarzem Humor mit Thriller-Elementen und lustvoller Schwulenkomödie. Nicht zu Unrecht hat der Film auf diversen Queer-Festivals Preise abgeräumt. Meine Lieblingsfigur ist der Pfarrer, der seine Homosexualität offen auslebt, ohne dass der Film in eine Klamotte abgleitet. Das alles hat Claire Mathon mit ihrer Kamera in zarte, poetische Herbstfarben getaucht.

Es liegt in der Natur der Sache, dass uns im Kinosaal bisweilen das Lachen im Halse stecken bleibt. Hingehen!

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab16

Originaltitel

Misericordia (Frankreich 2024)

Länge

104 Minuten

Genre

Komödie / Krimi

Regie

Alain Guiraudie

Drehbuch

Alain Guiraudie

Kamera / Director of Photography (DOP)

Claire Mathon

Darsteller

Félix Kysyl, Catherine Frot, Jean-Baptiste Durand, Jacques Develay, David Ayala, Sergie Richard

Verleih

Salzgeber & Co. Medien GmbH

Filmwebsite

» zur Filmwebsite

Weitere Neustarts am 06.03.2025