Der Film der Woche

Das Licht

20.03.2025

Ganze neun Jahre und vier Staffeln „Babylon Berlin“ hat es gedauert, bis Tom Tykwer wieder da ist, wo er hingehört: auf die große Leinwand. Und dass er mit DAS LICHT die Berlinale eröffnen darf, ist mehr als verdient, schließlich legt er hier ein absolutes Brett von einem Film vor.

Irgendwie versuchen die Mitglieder der Familie Engels alles, um unseren Planeten etwas besser zu machen, nur leider tun sie das immer häufiger unabhängig voneinander statt miteinander. Tim (Lars Eidinger) fährt selbst im strömenden Berliner Regen mit dem Fahrrad zu seinem Job in einer hippen Agentur, deren Aufgabe es ist, großen Konzernen einen umweltfreundlichen Anstrich zu geben. Seine Frau Milena (Nicolette Krebitz) versucht derweil in Kenia den dortigen Menschen mit einem Theaterprojekt bei der Bewältigung ihrer Traumata zu helfen. Ihre 17-jährige Tochter Frieda (Elke Biesendorfer) engagiert sich als Umweltaktivistin, zieht ansonsten aber mit Freunden nächtelang durch die Elektro-Clubs der Stadt, während sich ihr Zwillingsbruder Jon (Julius Gause) mehr und mehr in einem Online-Game verliert. Das ändert sich erst, als die geheimnisvolle Farrah (Taia Al-Deen) als neue Haushälterin in ihr Leben tritt. Der Frau aus Syrien gelingt es, mit Hilfe eines ominösen Geräts Gefühle ans Licht zu bringen, die lange Zeit verborgen waren. Doch welchen Plan verfolgt sie wirklich…?

2016 kam „Ein Hologramm für den König“ in die deutschen Kinos, dann wurde es still um den Autor und Regisseur Tom Tykwer. Das betraf jedoch nur die große Kino-Leinwand, denn zwischenzeitig setzte er vier eindrucksvolle Staffeln der TV-Serie „Babylon Berlin“ um, die im Berlin der 1920er-Jahre spielt. Kein Wunder also, dass Tykwer mit DAS LICHT in das Berlin der Gegenwart zurückkehrt.

Der Film beginnt mit einem imposanten Kameraflug vorbei an einem Hochhaus, das Ziel immer vor Augen: Eine kleine Wohnung mit einem pulsierenden Licht. Was es genau damit auf sich hat, offenbart Tykwer erst sehr spät im Film. Zwar rätseln wir Zuschauer ständig über die Hintergründe, doch DAS LICHT gibt uns das seltsam wohlige Gefühl, dass wir uns in guten Händen befinden und uns das Geheimnis schon irgendwann enthüllt wird. Also lassen wir uns in Gänze auf die Figuren des Films ein, die alle für sich selbst versuchen, ihren Platz in dieser schnelllebigen Welt zu finden.

Anhand der Protagonisten stürzt uns der Regisseur in die verschiedensten Probleme dieser Welt: Umweltzerstörung, Flüchtlingsproblematik, Vereinsamung, Abbau von kulturellen Förderungen, um nur ein paar wenige zu nennen. Doch anstatt diese Punkte wie am Reißbrett abzuarbeiten, streut Tykwer seine Kritik äußerst subtil ein. Kein erhobener Zeigefinder, keine Moralpredigt, sondern eine sensible Auseinandersetzung am Rande wirken absolut überzeugend. DAS LICHT versucht auch keine Lösungen dafür zu finden, sondern verbildlicht die Situation, der wir tagtäglich ausgesetzt sind. Denn gerade die gesellschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren und Jahrzehnten hat uns schlichtweg überrollt und damit auch überfordert. Immer komplexere Strukturen und ein weltweites ökonomisches System, das sich mehr und mehr verselbständigt hat, führt bei uns zu einem immer größer werdenden Gefühl der Hilflosigkeit. Viele Menschen fühlen sich auf dem Abstellgleis und genau das untersucht Tykwer meisterhaft in seinem Film.

Es geht um alles, möchte uns der Autor und Regisseur vermutlich sagen. Und das greift DAS LICHT auch in der Umsetzung auf. Ernsthafte Dialoge werden abgelöst von komischen Momenten und durchbrochen von muscialartigen Tanzeinlagen – und spiegeln somit die Bandbreite des Lebens wider. Und wie Tykwers Kameramann Christian Almesberger diese Szenen einfängt, entspricht oftmals purer Magie.

Auch musikalisch zeigt uns DAS LICHT die vielen Facetten des Lebens. Mit „Bohemian Rhapsody“ von Queen als allumfassendes zentrales Stück hätte Tykwer wohl kaum einen besseren Titel auswählen können, schließlich hatte die Kult-Band dereinst auch Ballade, Rock und Oper kongenial zusammengeführt.

DAS LICHT weist zwar eine Lauflänge von stolzen 162 Minuten auf, wirkt aber an keiner Stelle zu lang. Dafür passiert einfach zu viel. Und Tykwer beweist, dass das deutsche Kino um Längen besser ist, als man es es uns immer wieder weismachen möchte. Dieser Film muss sich vor keiner Hollywood-Produktion verstecken – im Gegenteil!

Ich habe nach der Vorführung im Foyer zwar auch negative Stimmen vernommen, lehne mich aber einmal aus dem Fenster und behaupte, dass diejenigen Kollegen den Film (noch) nicht in seiner Gänze erfasst haben. Mich hat DAS LICHT jedenfalls komplett abgeholt und am Ende fühlte ich mich in meiner Annahme bestätigt, dass der Film für alle Aspekte eine Erklärung liefern wird. Selbst für den Dauerregen im filmischen Berlin.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Das Licht (Deutschland 2025)

Länge

162 Minuten

Genre

Drama

Regie

Tom Tykwer

Drehbuch

Tom Tykwer

Kamera / Director of Photography (DOP)

Christian Almesberger

Darsteller

Lars Eidinger, Nicolette Krebitz, Tala Al-Deen, Elke Biesendorfer, Julius Gause, Elyas Eldridge, Toby Onwumere, Mudar Ramadan, Joyce Abu-Zeid, Mido Koitani

Verleih

X Verleih AG

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