Auch wenn man von ihrem Privatleben nichts weiß, spürt man im sensationellen Regiedebüt von Ariane Labed die gleiche verquere Herangehensweise wie in den Meisterwerken ihres Ehemanns. Und der heißt Yorgos Lanthimos. Doch ihr Film ist keine Kopie. Die fast teuflische Tragikomödie SEPTEMBER & JULY über die toxische Beziehung zweier ungleicher Teenager-Schwestern ist ein Werk sui generis – und entpuppte sich als einer der Höhepunkte beim Filmfest Hamburg.
September (Pascale Kann) und July (Maria Tharia) haben eine enge, aber beklemmende Beziehung zueinander. Sie sprechen ihre eigene Geheimsprache und halten die Außenwelt auf Distanz. September, die selbstbewusste ältere Schwester, dominiert die Beziehung, während die schüchterne July sich von Septembers manipulativen Spielchen unterdrückt fühlt. Doch sich dagegen zu wehren, gelingt ihr nicht.
Das könnte sich jedoch ändern, als September nach einem mysteriösen Vorfall an ihrer Schule in Oxford suspendiert wird. Was genau passiert war, verrät uns die Regisseurin nicht. Die alleinerziehende Mutter Sheela (Rakhee Thakrar) zieht daraufhin mit ihren Töchtern in ein abgelegenes Haus an der irischen Südostküste, um sich besser um sie kümmern zu können. Aber die Abgeschiedenheit verschärft nur die Spannungen in der Kleinfamilie.
Während Sheela Abwechslung in Sexabenteuern mit Pub-Bekanntschaften sucht, igeln sich die Schwestern immer mehr ein. Septembers psychologische Spielchen werden immer perfider. Wie soll und kann diese gefährliche Beziehung enden? Schafft es July, contra zu geben?
Ariane Labed, die auch das Drehbuch, basierend auf dem Roman „Sisters“ von Daisy Johnson, schrieb, gibt uns nur wenige Andeutungen – sie lässt sich einfach nicht in die Karten schauen. Die wilde irische Landschaft wirkt dabei wie ein Spiegelbild der Figuren – und Kameramann Balthazar Lab fängt dies kongenial ein. Wie in einem Horrorfilm – der SEPTEMBER & JULY nicht ist – benutzt Ariane Labed extrem häufig den Effekt des „Jump-Scare“ – was uns Zuschauer ständig aus der Bahn wirft. Kein Wunder, dass die brillante deutsche Editorin Bettina Böhler einen großen Anteil an der Besonderheit dieses Films hat.
Dieses düstere Psychodrama, dass trotz alledem seine skurrile Beschwingtheit nie verliert, erinnert mich nicht nur an Lanthimos, sondern auch an die bizarre Filmwelt eines David Lynch. Wie in einem magischen Zwischenreich überlagern sich ständig Fantasie und Realität. Diese faszinierende Ambiguität durchzieht den ganzen Film – und lässt uns verstört zurück. Welch ein Regiedebüt!
P.S. Schon 1972 inszenierte Meisterregisseur Robert Altman mit „Images“ („Spiegelbilder“) ein ähnlich gelagertes Psychodrama voller Andeutungen. Und wo spielt dieses immer noch unterschätzte Nebenwerk? In Irland!
September Says (Deutschland / Frankreich / Großbritannien / Irland / Griechenland)
96 Minuten
Drama
Ariana Labed
Ariana Labed, basierend auf dem Roman "Sisters" von Daisy Johnson
Balthazar Lab
Mia Tharia, Pascale Kann, Rakhee Thakrar
MUBI