Kleine schmutzige Briefe

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Mit einer gesunden Balance zwischen Herz und Humor kommt der britische Film KLEINE SCHMUTZIGE BRIEFE um die Ecke. Und mit Olivia Colman, Jessie Buckley und Timothy Spall hat er auch noch eine starke Besetzung zu bieten. Doch kann das Drehbuch-Debüt des britischen Comedians Jonny Sweet wirklich überzeugen?

Wir befinden uns in den 1920er-Jahren in der englischen Küstenstadt Littlehampton. Hier leben die lebhafte Rose Gooding (Jessie Buckley) und die fromme Edith Swan (Olivia Colman) direkt nebeneinander. Doch die beiden Damen könnten gar nicht unterschiedlicher sein. Als Edith und andere in der Stadt plötzlich anonyme Briefe erhalten, gespickt mit Beleidigungen in unflätiger Sprache, fällt der Verdacht sofort auf Rose, die bereits öfter durch ihr loses Mundwerk aufgefallen ist. Da ist sich auch Ediths Vater Edward (Timothy Spall) sofort sicher. Plötzlich ermittelt Scotland Yard, und Rose droht sogar, das Sorgerecht für ihre Tochter zu verlieren. Doch nur die Polizistin Gladys Moss (Anjana Vasan) ahnt, dass hier etwas nicht stimmt und Rose möglicherweise gar nicht die Schuldige ist. Doch als erste weibliche Polizistin überhaupt muss sie erst einmal Gehör und Respekt verschaffen…

Der Autor und Comedian Jonny Sweet trifft in seinem allerersten Drehbuch sofort den richtigen Ton. In einer gelungenen Mischung aus bösartigem Humor und ernstem Drama gelingt es ihm, perfekt die Balance zu halten und uns Zuschauer geschickt auf eine falsche Fährte zu locken. Ich war mir eigentlich nach relativ kurzer Zeit ziemlich sicher, das Spiel durchschaut zu haben – nur um am Ende feststellen zu müssen, vollkommen daneben gelegen zu haben. Und nein, das werfe ich dem Film keinesfalls vor, im Gegenteil, schließlich liebe ich es, wenn mich ein Drehbuch überraschen kann.

Hinzu kommt, dass ich Jessie Buckleys eindrucksvolle Spielweise spätestens seit „Wild Rose“ sehr verehre und auch Olivia Colman und Timothy Spall immer wieder gerne auf der Leinwand sehe. Allein mit dieser Besetzung hat mir Regisseurin Thea Sharrock direkt in die Karten gespielt. Und was soll ich sagen: Ich könnte mir keine bessere Besetzung vorstellen.

Dass sich die Geschichte tatsächlich so oder so ähnlich zugetragen hat, mag man bei einer solchen Komödie zuerst gar nicht glauben. Zumal die Geschichte in einer Zeit spielt, in der die Gesellschaft sehr frauenfeindlich und sexistisch war. Und Sweets Drehbuch sagt niemals explizit, dass es hier um die Emanzipation der Frauen geht, im Gegenteil. Dieses und andere wichtige Themen finden im Hintergrund statt, ohne dass sie dadurch jedoch an Bedeutung verlieren. Das macht die Story und somit auch den Film so besonders.

KLEINE SCHMUTZIGE BRIEFE ist ein mehr als gelungener Film, der blendend unterhält, und dabei von drei Frauen erzählt, die sich erfolgreich gegen das Patriarchat durchsetzen, ohne auch nur ein einziges mal den Zeigefinger zu erheben. Das schaffen nicht viele Filme. Chapeau!