Coup

26.08.2021

Wenn ein Film seinen komplett eigenen Stil mitbringt und dann noch mit einer typisch norddeutschen Kodderschnauze um die Ecke kommt, bin ich an Bord. So wie COUP von Sven O. Hill, der gleich mehrfach zu überzeugen weiß. 

Es ist Sommer und wir schreiben das Jahr 1988. Ein junger Typ (Daniel Michel) hat gerade seine Banklehre begonnen, doch sein Interesse gilt eigentlich eher Motorrädern. Also wagt er den Spagat: Tagsüber im Anzug in der Bank, abends mit Kutte im Rockerclub. Eigentlich könnte es ewig so weitergehen, verdient er doch im Job genug, um seinem Hobby zu frönen. Doch er will mehr und eigentlich gar nicht mehr arbeiten. Als er erkennt, dass es beim Einlösen von Wertpapier-Dividenden eine Sicherheitslücke gibt, schlägt seine Stunde. Gemeinsam mit seinem besten Kumpel (Tomasz Robak) bringt er die Bank um mehrere Millionen und setzt sich nach Australien ab. Von dort erst weiht er seine Freundin ein: „Komm‘ mal rüber, wir machen jetzt hauptberuflich Mittagspause“ säuselt er im feinsten Hamburger Dialekt in den Telefonhörer. Doch dann folgt die Ernüchterung. Seine Freundin (Paula Kalenberg) weigert sich, mit dem gemeinsamen Sohn auszuwandern. So wird das prunkvolle Leben in Saus und Braus langsam aber sicher zum goldenen Käfig. Jetzt stellt sich die Frage: Zurück zum langweiligen Durchschnittsleben, aber dafür den Sohn aufwachsen sehen, oder weiterhin das ausschweifende Leben eines Millionärs?

Das dieser Film das Licht der Kinosäle erblickt, ist sicherlich ein kleines Wunder. Da sich vermutlich kein Verleih finden ließ, bringt Regisseur Hill sein Werk nun selbst in die Kinos. Und das ist auch gut so, denn COUP ist ein Film, den man gesehen haben muss, um zu glauben, dass er existiert. 

Durch einen Zufall hatte Hill von der Geschichte erfahren und traf sich mit dem ehemaligen Bankangestellten und ließ sich seine Geschichte in mehreren aufgezeichneten Interviews erzählen. Schnell wurde klar, dass daraus ein Film entstehen muss. Nur wie dreht man eine Doku, wenn es absolut kein Filmmaterial aus der Zeit gibt? Nun, da bleibt wohl nur ein Drama übrig. Doch die Art und Weise, wie der Bankangestellte seine Geschichte erzählt, ist einfach zu gut, um sie nicht zu verwenden. Also fällt die Wahl auf eine Mischung aus Dokumentation und Drama. Der Bankangestellte fungiert als Erzähler, der den Zuschauer an die Hand nimmt. Mit Daniel Michel, der zumindest in Hamburg eine gewisse Bekanntheit als Sänger der Liedermacher-Band „Liedfett“ erfährt, aber auch bereits in Florian Eichingers Film „Nordstrand“ zu sehen war, entpuppt sich als Idealbesetzung für die Hauptrolle. 

Als drittes Stilmittel wählt Hill zudem den Trickfilm aus. In wirklich gelungenen Sequenzen, die der Feder von Xaver Böhm entstammen – der 2019 mit seinem eigenen Film „O Beautiful Night“ überzeugen konnte – wird der Teil der Geschichte erzählt, der sich nur schwerlich hätte filmen lassen. Diese Mischung aus Doku, Drama und Animation macht COUP so besonders. 

Doch das ist bei Weitem nicht alles, denn dem Film gelingt es zudem, die durchaus komplexe Sicherheitslücke in der Bank verständlich zu erklären. So haben wir uns als Zuschauer am Ende nicht nur mehrfach schlapp gelacht, sondern auch noch etwas dazugelernt. Alle Achtung!

Allerdings muss man diesen eigenwilligen Stilmix mögen. Schnell könnte man das Werk als billig abstempeln, doch das würde COUP nicht gerecht werden. Sven O. Hill ist mit seinem Film ein echter Coup gelungen – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Film. der in einigen Jahren vielleicht sogar den Status von Sebastian Schippers „Absolute Giganten“ als DER Hamburg-Film erreichen könnte. Das Potential dafür hat er allemal…

Trailer

ab6

Originaltitel

Coup (Deutschland 2019)

Länge

82 Minuten

Genre

Drama / Dokumentation

Regie

Sven O. Hill

Drehbuch

Sven O. Hill

Darsteller

Daniel Michel, Rocko Schamoni, Tomasz Robak, Paula Kalenberg

Verleih

Salto Film / imFilm

Filmwebsite

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