Der Hochzeitsschneider von Athen

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Manchmal geschieht ein Wunder, und eine kleine Perle landet unverhofft auf der Leinwand des heimischen Kinos. Das Langfilm-Debüt der Deutsch-Griechin Sonja Liza Kenterman ist so eine Perle: DER HOCHZEITSSCHNEIDER VON ATHEN entpuppt sich als ein herzerwärmendes, poetisches Melodram aus dem Südosten Europas.

Nikos (Dimitris Imellos) ist ein Schneider alter Schule, stets stilvoll und nach strenger Etikette gekleidet. Doch das von seinem Vater übernommene Geschäft in der Athener Innenstadt wirft kaum noch Gewinn ab – niemand kann sich einen maßgeschneiderten Anzug leisten. So muss Nikos notgedrungen in seiner Werkstatt übernachten. Einziger Kontakt ist die kleine Tochter seiner Nachbarin Olga, mit der er per Taschenlampen-Signalen kommuniziert. Als die Bank wegen fehlender Zahlungen den Laden schließen will, kommt Nikos auf eine bizarre Idee: Er baut sich einen fahrbaren Stand, um auf den umliegenden Märkten seine Dienste anzubieten. Zu Anfang muss er den Wagen mühsam per Hand schieben, doch irgendwann kann er sich ein kleines Motorrad leisten. Aber die Kundschaft bleibt langfristig aus – bis ihn eine Frau anspricht: „Nähen Sie auch Hochzeitskleider, meine Tochter heiratet demnächst?“ „Ich bin Herrenschneider“, ist seine brüske Antwort. Doch er überwindet sich und entdeckt ein neues Feld. Nachbarin Olga (Tamila Koulieva) gibt ihm wertvolle Tipps, und so sitzen sie nachts gemeinsam in seiner Werkstatt und nähen Hochzeitskleider. Sie ist unglücklich mit einem rabiaten Taxifahrer verheiratet – doch auch nach einer gemeinsamen Nacht hat die Liebe von Nikos und Olga keine Chance.

In ihrem Debüt beweist Sonja Liza Kenterman faszinierenden Stilwillen. Streng minimalistisch beschreibt sie das einsame Leben eines fast autistisch in sich gekehrten Mannes, der komplett in seinem Beruf aufgeht. Am Ende gönnt sie uns ein Stück Utopie: Mit seinem neu gekauften und umgebauten Van voller Hochzeitskleider fährt Nikos durch die idyllische griechische Landschaft. Er hat Athen und seine Vergangenheit hinter sich gelassen. Ein fast märchenhafter Schluss. So schön kann Kino sein!