Bones and All

24.11.2022

Für das junge, wilde Outsider-Paar, das sich in den USA der Reagan-Ära gegen alle Konventionen zur Wehr setzt, finden Regisseur Luca Guadagnino („Call Me By Your Name“) und sein Drehbuchautor David Kajganich eine wunderbare, aber extrem bizarre Metapher: Maren (Taylor Russell) und Lee (Timothée Chalamet) sind Kannibalen. Frei nach dem gleichnamigen Roman von Camille DeAngelis erzählt BONES AND ALL eine ungewöhnliche „Amour fou“, die es so noch nicht im Kino gegeben hat. Für den Film erhielt Luca Guadagnino in Venedig den Silbernen Löwen für die Beste Regie, Taylor Russell wurde als Beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet.

Als Maren auf der Highschool einer Mitschülerin in den Finger beißt, um ihn anschließend genüsslich verspeisen zu wollen, hat ihr alleinerziehender Vater genug von ihr und verlässt das gemeinsame Haus. So macht sich die 18-Jährige allein auf eine monatelange Odyssee quer durch die USA, die der Regisseur mit ständigen Einblendungen des jeweiligen Bundesstaats (als Kürzel) fast schon zelebriert.

Auf ihrer Reise lernt sie zunächst den indigenen Sully (Mark Rylance) kennen, der ihre besondere Neigung schon am Geruch erkennt. Er ist gerade dabei, seiner toten Frau die Zähne in den Leib zu stecken. (Auf diese drastischen Bilder müssen wir uns in den 130 Minuten von Anfang an einstellen.) Dann verliebt sich Maren unsterblich in den gleichgesinnten Lee – und beide erleben rauschhafte Monate voll Glück, Exstase und sehr viel Blut.

Nur mit ihrer Geburtsurkunde bewaffnet, taucht Maren bei ihrer Großmutter (Jessica Harper) auf, die ihr erzählt: „Deine Mutter ist gar nicht tot, sie vegetiert in einer psychiatrischen Klinik dahin.“ Maren trifft auf eine wahnsinnige Frau (Chloë Sevigny) ohne Unterarme: Die hatte sie vor Jahren selbst verspeist. Der Roadtrip endet in der kargen Landschaft von Nebraska – als offensichtliche Verbeugung vor Terrence Malicks Regiedebüt „Badlands“ (obwohl das in South Dakota und Montana spielt). Hier bringen Maren und Lee den wieder aufgetauchten Sully gemeinsam um – doch bei der dramatischen Aktion wird Lee schwer verletzt.

In BONES AND ALL zeigt uns Luca Guadagnino eine unmögliche Liebe, die zu schön ist, um wahr zu sein. Wie schon Sissy Spacek und Martin Sheen in „Badlands“ erleben wir mit Taylor Russell und Timothée Chalamet ein Liebespaar, das sich am Rande der Gesellschaft auf Schleichwegen durch ein feindliches Amerika bewegt – was der Regisseur mit eindrucksvollen Sequenzen visuell makellos bebildert.

Wie schon in „Waves“ spielt die unvergleichliche Taylor Russell eine junge Frau, in die sich wohl jeder verlieben möchte. Timothée Chalamet ist nach „Call Me By Your Name“ und „Dune“ wieder mal der introvertierte Schönling, der niemanden an sich heranlässt. BONES AND ALL verlangt uns vieles ab – und manche Szenen sind in meinen Augen wegen ihrer blutigen Brutalität einfach zu überzogen, um vollständig zu überzeugen. Doch als echter Kinofan sollte man dieses ungewöhnliche Abenteuer nicht missen.

Trailer

ab16

Originaltitel

Bones and All (Italien / USA 2022)

Länge

131 Minuten

Genre

Thriller

Regie

Luca Guadagnino

Drehbuch

David Kajganich, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Camille DeAngelis

Darsteller

Taylor Russell, Timothée Chalamet, Michael Stuhlbarg, André Holland, Chloë Sevigny, David Gordon Green, Jessica Harper, Jake Horowitz, Mark Rylance

Verleih

Warner Bros. Entertainment GmbH

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