Meinen Hass bekommt Ihr nicht

10.11.2022

Nach den Anschlägen auf den Pariser Club Bataclan ging der Post eines Mannes durch die Welt, der gerade seine Frau verloren hatte und den Tätern klipp und klar sagte: MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT. Diese bemerkenswerte Geschichte hat Autor und Regisseur Kilian Riedhof jetzt in seinem Film verarbeitet.

In der Nacht des 13. Novembers 2015 ändert sich die Welt für Antoine Leiris (Pierre Deladonchamps) komplett. Gerade erst hatte sich Hélène (Camélia Jordana), die Liebe seines Lebens und Mutter seines erst 17 Monate alten Kindes, auf den Weg gemacht, um ein Konzert im Pariser Club Bataclan zu besuchen. Jetzt ist sie tot, als eines von vielen Opfern eines feigen Anschlags auf die Konzertbesucher. Noch völlig unter Schock trotzt er dem Terror und der Gewalt in einem bewegenden Social-Media-Post, in dem er den Attentätern eine Botschaft entgegenbringt: MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT. Sein Beitrag geht um die Welt und findet sich plötzlich auf der Titelseite der Tageszeitung „LE Monde“ wieder. In einer Art Ausnahmezustand zwischen medialer Aufmerksamkeit und unendlicher Trauer muss sich Antoine nun mit der veränderten Realität auseinandersetzen – vor allem seinem kleinen Sohn Melvil (Zoé Iorio) zuliebe…

Die Anschläge von Paris im November 2015 haben wir sicherlich alle noch vor Augen. An gleich mehreren Orten der französischen Hauptstadt hatten islamistische Terroristen Bomben gezündet, eben auch im Musikclub Bataclan. Der Regisseur Kilian Riedhof, der auch das Drehbuch mit verfasst hat, hat aus dem Buch von Antoine Leiris einen wunderschönen Film gemacht. Dabei konzentriert er sich voll und ganz auf Leiris‘ Geschichte und verzichtet komplett darauf, den eigentlichen Anschlag auch nur ansatzweise zu zeigen. Das war auch die einzige Bedingung von Leiris, als er Riedhof und seinem Team die Filmrechte überließ, wie Riedhof mir im Interview sagte (s.u.).

Natürlich wundert man sich zu Anfang, warum ein deutscher Regisseur einen Film komplett mit französischen Darstellern auf Französisch dreht, aber die Geschichte ist nun mal so sehr mit Paris verbunden, dass man sie unmöglich in eine deutsche Stadt verfrachten könnte.

Dass die Franzosen ihre Geschichte zu Recht einem deutschen Regisseur anvertraut haben, wird sehr schnell klar. Schon in der ersten halben Stunde legt Riedhof ein unfassbares Feingefühl an den Tag, in dem er die Ereignisse nicht unnötig dramatisiert, sondern aus der sicheren Distanz beobachtet. Für uns Zuschauer ist dieser Teil sowieso schon schwer zu ertragen, wissen wir doch, worauf die Geschichte zuläuft, als Hélène die Wohnung verlässt und Antoine bittet, doch solange wach zu bleiben, bis sie vom Konzert zurück sei.

Auch im weiteren Verlauf behält Riedhof die Perspektive des Beobachters bei und zeigt uns, wie sich Antoine zwischen Trauer und medialem Wahnsinn seinen Weg bahnt. Der Film nimmt sich zudem die Zeit um zu zeigen, dass sich die Ausschlachtung des Social-Media-Posts nicht gänzlich positiv auf Antoine auswirkt und ihn so manches Mal auch an den Rand der Verzweiflung bringt.

Mit MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT ist Kilian Riedhof ein eindrucksvoller Film gelungen, der genau die richtige Balance zwischen Trauer und Ablenkung findet. Chapeau!

Interview

Beim 30. Filmfest Hamburg 2022 hatte ich die Gelegenheit, mit dem Drehbuchautor und Regisseur Kilian Riedhof über seinen Film MEINEN HASS BEKOMMT IHR NICHT zu sprechen.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Vous n'aurez pas ma haine (Deutschland / Frankreich / Belgien 2022)

Länge

103 Minuten

Genre

Drama

Regie

Kilian Riedhof

Drehbuch

Jan Braren, Marc Blöbaum, Kilian Riedhof und Stéphanie Kalfon, nach dem Buch von Antoine Leiris

Darsteller

Pierre Deladonchamps, Zoé Iorio, Camélia Jordana, Thomas Mustin, Christelle Cornil, Anne Azoulay, Farida Rahouadj, Yannuk Choirat

Verleih

Tobis Film GmbH & Co. KG

Filmwebsite

» zur Filmwebsite

Weitere Neustarts am 10.11.2022