Der Amerikaner Jeff Koons gehört durch seine farbenfrohen Skulpturen sicherlich zu den schillerndsten Künstlern unserer Zeit. Mit seinem Film JEFF KOONS – A PRIVATE PORTRAIT versucht ihm der italienische Regisseur Pappi Corsicato ein wenig nahezukommen, bleibt jedoch viel zu sehr an der Oberfläche.
2003 war in meiner Heimatstadt Hamburg eine riesige Installation auf dem Spielbudenplatz im Zentrum von St. Pauli im Gespräch. Jeff Koons wollte zwei 100 Meter hohe Kräne aufstellen, an denen bizarre Gummi-Enten hängen sollten. Zwar wurde das Projekt nie realisiert, kostete den Steuerzahler aber trotzdem 100.000 Euro. Das war meine erste Begegnung mit dem Künstler Jeff Koons. Zwei Jahre später hatte ich dann die Gelegenheit, mir seine Retrospektive im Kunstmuseum in Helsinki anzuschauen. Und für jemanden, der sonst so gut wie keine Berührungspunkte mit der Welt der Kunst hat, war das überraschenderweise ein eindrucksvoller Moment. Obwohl es sich bei einigen Exemplaren scheinbar um simple, aufgeblasene Gummitiere handelt, wie man sie von planschenden Kindern kennt, war hier irgendetwas nicht in Ordnung. Denn die Art der Aufhängung und die Art der Präsentation suggerierte mir, dass es sich um ein anderes Material handeln muss. Das Berühren der Ausstellungsstücke war natürlich strengstens verboten, und so gab es keinerlei Möglichkeit, diese Vermutung zu überprüfen. Also begann ich, die Werke nach Hinweisen abzusuchen, doch Fehler gibt es beim Perfektionisten Jeff Koons nicht, wie ich jetzt durch die Dokumentation erfahren durfte. So blieb die Ungewissheit bestehen, und vermutlich hat genau das etwas in mir ausgelöst. Wahrscheinlich hätte ein simpler Fingertipp die Illusion zerstört, aber so denke ich auch knapp 20 Jahre später noch über diese Ausstellung nach. Faszinierend.
Als ich von der Dokumentation JEFF KOONS – A PRIVATE PORTRAIT erfuhr, war meine Hoffnung ein wenig, dieses Rätsel endlich lösen zu können, zur Not auch nur in Teilen. Doch Pappi Corsicato, der bereits über vierzig Künstlerdokus gedreht hat, hatte andere Pläne. In seinem gerade mal 80 Minuten langen Film konzentriert er sich die meiste Zeit darauf, dem Künstler Jeff Koons persönlich nahezukommen. Dazu hat er ihn ein Jahr lang begleitet und mit Weggefährten und Familienmitgliedern gesprochen. Und so dauert es bis etwa zur Hälfte des Films, bis er sich überhaupt einmal dem Thema Kunst nähert. Zuvor (aber auch noch danach) erzählen seine Frau, seine vielen Kinder und seine drei Jahre ältere Schwester, was den Menschen Jeff Koons ausmacht. „Für Jeff gibt es nur zwei Dinge: seine Kunst und seine Familie“, gibt seine Schwester an einer Stelle zu verstehen, womit sie Recht behalten sollte.
Der Film greift auch problematische Kapitel auf, wie den jahrelangen Streit mit seiner Ex-Frau Ilona Staller (auch bekannt als Cicciolina) um das Sorgerecht seines Sohnes Ludwig oder das Trauma, dass Koons seine erste Tochter damals zur Adoption freigeben musste. In der Summe überwiegen aber die positiven Lobeshymnen, die sich irgendwann ein wenig redundant anfühlen.
Dann scheint sich der Regisseur Pappi Corsicato aber doch noch darauf zu besinnen, dass man ja vielleicht auch den künstlerischen Teil ein wenig näher beleuchten könnte. Aber selbst dort bleibt der Film an der Oberfläche hängen. Hier und da erfährt man das eine oder andere über Koons Beweggründe für seine Skulpturen, über seine Methoden lernen wir jedoch leider herzlich wenig. Sein großer Stab an Mitarbeitern, die inzwischen nach seinen Vorgaben an seinen Kunstwerken arbeiten, kommt sogar überhaupt nicht zur Sprache. Man sieht sie nur in wenigen Szenen im Hintergrund agieren.
So bleibt JEFF KOONS – A PRIVATE PORTRAIT leider immer nur an der Oberfläche und verwehrt uns einen tieferen Einblick. Interessant ist der Film trotzdem, das lässt sich nicht abstreiten. Aber ein wenig mehr Tiefe wäre schön gewesen.
Jeff Koons – A Private Portrait (Italien 2023)
80 Minuten
Dokumentation
Pappi Corsicato
Pappi Corsicato
Little Dream Entertainment