Der Vierer

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Warum schaffen es die Franzosen fast jedes Mal und warum tun wir Deutschen uns dabei immer so schwer: eine frivole, leicht schlüpfrige Sexkomödie auf die Kinoleinwand zu zaubern – und das alles ohne das Gefühl des „Fremdschämens“? Denn genau dieses Gefühl kommt sofort auf, wenn wir uns die deutsche Beziehungskomödie DER VIERER von Iván Sáinz-Pardo anschauen.

Frei nach der spanischen Vorlage zum Film „Amor en polvo“ von 2019 haben Hauptdarsteller Florian David Fitz und Regisseur Iván Sáinz-Pardo gemeinsam mit Torben Struck ein Drehbuch zurechtgezimmert, das nur so vor Peinlichkeiten strotzt. So müssen wir uns also das deutsche Sexleben unserer Tage vorstellen?

Die erfolgreiche Anwältin Sophie (Julia Koschitz) und der arbeitslose Archäologe Paul (Florian David Fitz) wollen ihre langjährige Ehe ein bisschen auffrischen und haben deshalb nach einigem Zaudern ein Paar zu sich nach Hause zu einem Swinger-Abend eingeladen: die feurige Spanierin Mia (Lucía Barrado) und den potenten „Hütten-Andi“ vom letzten Alpenurlaub. Doch ausgerechnet den hat Paul kurzfristig ausgeladen und stattdessen seinen engsten Freund Lukas (Friedrich Mücke) zu diesem Treffen überredet. Als Sophie von dieser Änderung erfährt, ist ihr das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Was steckt dahinter?

Während Sophie mit ihrem sexy Push-up-BH durch die schicke Wohnung hüpft und Paul seine Intimrasur einigermaßen unbeschadet überstanden hat, lernen sich Mia und der eher verklemmte Lukas in einer nahegelegenen Bar kennen und glühen schon mal vor. Paul hat die Tapas auf dem Esstisch erotisch drapiert – und zur Einstimmung gönnt ihm Sophie einen Blowjob. Dann dürfen die Gäste kommen. Doch der Abend entwickelt sich anders als erwartet…

Was scheinbar wie eine freche, tabu-freie Swinger-Party beginnt, mutiert recht schnell zu einem biederen, typisch deutschen Beziehungs-Kammerspiel, wie wir es aus unzähligen Boulevard-Theaterkomödien her kennen. Hier wird wahrlich kein Klischee ausgelassen. Immerhin landen alle vier im Laufe das Abends für einen kurzen Moment gemeinsam im breiten Ehebett – kaum zu glauben! Doch was besonders irritierend ist: Man spürt sofort, dass sich die Schauspieler:innen in ihren ungewohnten Rollen nicht so richtig wohl fühlen. Verrucht zu sein, ist halt nicht so einfach. Hier wurde eine Chance vertan!