Holy Spider

12.01.2023

Ein Film über eine von Männern geprägte Welt – in einem Land, in dem die Religion das öffentliche und private Leben beherrscht: HOLY SPIDER des iranisch-stämmigen und inzwischen in Dänemark lebenden Regisseurs Ali Abbasi erzählt die wahre Geschichte des sogenannten „Spinnenmörders“ Saeed Hanaei, der zu Beginn der 2000er-Jahre in der heiligen Stadt Maschad, der zweitgrößten Stadt des Iran, 16 Prostituierte ermordete.

Eine junge Frau, der man die ständigen Misshandlungen am Körper ansieht, verabschiedet sich liebevoll von ihrer kleinen Tochter und schminkt sich aufdringlich, um auf den Straßen von Maschad ihrem Beruf nachzugehen: Sie ist Sexarbeiterin. Der erste Freier behandelt sie brutal, der zweite verlangt Oralverkehr und zahlt nur einen Bruchteil des vereinbarten Geldes, der dritte nimmt sie auf seinem Motorrad mit nach Hause, wo er sie erwürgt. Es ist der Serienmörder Saeed (Mehdi Bajestani), der die Leiche im unwegsamen Gelände außerhalb der Stadt entsorgt.

Die junge Frau ist bereits das neunte Opfer des „Spinnenmörders“, der in der Öffentlichkeit so genannt wird, weil er Prostituierte in sein Netz lockt und tötet. Doch die Polizei schaut seit Beginn der Serie offenbar tatenlos zu. So reist die Journalistin Rahimi (Zar Amir Ebrahimi) im Auftrag ihrer Teheraner Zeitung nach Maschad, um persönlich zu recherchieren. Gleich bei der Ankunft merkt sie, wo sie gelandet ist: An der Hotelrezeption will man ihr das längst reservierte Zimmer nicht geben, weil sie als alleinstehende Frau angereist ist. Erst nachdem sie ihren Beruf verraten hat, wird ihr der Schlüssel überreicht.

Am nächsten Tag lernt sie in der Redaktion der Lokalzeitung den Reporter Sharifi (Arash Ashtiani) kennen, der nach jedem Mord von Saeed angerufen wird, der stolz von seiner Tat berichtet und den Fundort der Leiche verrät. Den Mitschnitt des letzten Gesprächs spielt Sharifi Rahimi vor. Als beide die Polizei aufsuchen, reagieren die gelangweilten Beamten blasiert und machen kein Hehl daraus, dass eine Frau hier nichts zu suchen hat.

Bei ihren nächtlichen Streifzügen lernt sie einige Prostituierte kennen und freundet sich in einem Imbiss mit Soghra an, einer jungen, verzweifelten Frau, die am Ende ihrer Kräfte ist. Auch sie weiß inzwischen, dass der Mörder mit dem Motorrad kommt. Sie wird das nächste Opfer, weil in dieser Nacht Saeed mit dem geliehenen Auto eines Kollegen am Straßenrand anhält.

Saeed, dessen Gesicht der Regisseur schon sehr früh im Film zeigt, wird als treusorgender Familienvater beschrieben, der als Bauarbeiter mit Frau und drei Kindern ein ärmliches Leben führt, aber fest an seine religiöse Mission glaubt: den Iran vom „Abschaum“ zu befreien.

Gemeinsam hecken Rahimi und Sharifi einen extrem gefährlichen Plan aus: Sie will sich als Lockvogel zur Verfügung stellen und verkleidet sich als stark geschminkte Sexarbeiterin. Sobald sie aufs Motorrad steigt, soll Sharifi die beiden im Auto verfolgen. Doch der Plan scheitert: In den engen Gassen verliert er die Spur, und Rahimi landet in Saeeds Wohnung. Da sie in jeder Sekunde einen tödlichen Angriff erwartet, ist sie vorbereitet und kann die Attacke im letzten Moment verhindern und fliehen. Am nächsten Tag wird Saeed zu Hause verhaftet…

Bis hierhin ist HOLY SPIDER ein intensives, erschütterndes Drama – das Fernduell einer energischen, kompromisslosen Frau und eines verbitterten Mannes mit einer fehlgeleiteten Mission. Doch was sich der Regisseur Ali Abbasi jetzt erlaubt, grenzt an Kolportage. Das ist Moral mit dem Holzhammer! Die Gerichtsszenen inszeniert er als Schauprozess, da weite Teile der konservativen Bevölkerung Saeed als Helden verehren und er deshalb selbst bis zum Schluss nicht an eine Verurteilung glaubt. Im Bus zurück nach Teheran hört sich Rahimi noch einmal das Interview an, das sie mit Saeeds Frau und den Kindern geführt hatte. Und für das, was wir da erleben, fehlen sogar mir die Worte. Darf man einen Film so obszön enden lassen? Schade, diese letzte halbe Stunde macht den ganzen Film kaputt.

P.S. Für ihre Rolle als Rahimi erhielt Zar Amir Ebrahimi im vergangenen Jahr in Cannes völlig verdient die Silberne Palme als Beste Darstellerin.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab16

Originaltitel

Holy Spider (Dänemerk / Deutschland / Finnland / Schweden 2022)

Länge

119 Minuten

Genre

Krimi / Drama / Thriller

Regie

Ali Abbasi

Drehbuch

Ali Abbasi, Afshin Kamran Bahrami

Darsteller

Mehdi Bajestani, Zar Amir Ebrahimi, Arash Ashtiami, Forouzan JamsAhidnejad, Alice Rahimi, Sara Fazilat, Sina Parvaneh, Nima Akbarpour, Mesbah Taleb

Verleih

Alamode Filmdistribution OHG

Filmwebsite

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