Ein Glücksfall

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

In den letzten Jahren konnten die Filme von Woody Allen eher weniger überzeugen. Doch mit EIN GLÜCKSFALL kehrt er tatsächlich zu alter Stärke zurück…

Fanny (Lou de Laâge) und Jean (Melvil Poupaud) sind eigentlich ein glückliches Paar. Sie sind beide erfolgreich im Beruf und gelten in ihrem Freundeskreis als die perfekten Eheleute. Zudem leben sie in einer prächtigen Wohnung in einem noblen Pariser Stadtteil und scheinen immer noch genauso verliebt zu sein wie am ersten Tag. Doch dann trifft Fanny zufällig ihren ehemaligen Mitschüler Alain (Niels Schneider) wieder und ist hin und weg. Als sie sich kurz drauf wiedersehen, kommen sich die beiden näher und Fanny fragt sich, ob Alain es wert sein könnte, ihr komplettes Leben über den Haufen zu werfen…

In den letzten Jahren konnte Woody Allen nicht mehr wirklich mit seinen Filmen überzeugen. Erst ließ ihn sein jahrelanger Partner Warner Bros. fallen, dann redete die ganze Welt plötzlich nur noch über sein Privatleben, als im Zuge der #MeToo-Debatte alte Missbrauchsvorwürfe wieder aufkamen. Letzteres möchte ich an dieser Stelle nicht mehr ausbreiten, dazu wurde meines Erachtens bereits alles gesagt. Was nicht bedeutet, dass ich Allen in Schutz nehmen möchte. Keinesfalls!

Auch wenn Allens Filmographie untrennbar mit New York verbunden ist, zog es ihn schon mehrfach in die französische Hauptstadt. 1996 hatte er „Alle sagen: I Love You“ teilweise in Paris gedreht und 2010 stand die Stadt an der Seine in „Midnight in Paris“ komplett im Mittelpunkt. Auch EIN GLÜCKSFALL wollte er ursprünglich auf Englisch drehen – ihm schwebte ein amerikanisches Paar vor, das in Paris lebt –, letztendlich entschied er sich dann doch dazu, komplett auf französisch zu drehen, obwohl er die Sprache überhaupt nicht spricht. Für uns Zuschauer ist das dann tatsächlich EIN GLÜCKSFALL, schließlich findet Allen hier nahezu komplett zu alter Stärke zurück.

Das liegt in erste Linie an seiner äußerst charmanten Hauptdarstellerin Lou de Laâge, die uns in ihrer Rolle der Fanny in jeder einzelnen Sequenz verzaubert – und sie ist tatsächlich in nahezu allen Szenen zu sehen. Es war mir eine absolute Freude, ihr dabei zusehen zu dürfen.

Vielleicht ist EIN GLÜCKSFALL nicht ganz so bissig wie seine früheren Filme, vielleicht möchte er uns aber auch einfach nur eine unterhaltsame Gesellschaftssatire präsentieren, die wie ein kleiner Herbstspaziergang unterhält. Das jedenfalls funktioniert hier außerordentlich gut. Und am Ende überrascht uns Allen noch mit einer leicht makabren, aber dennoch äußert unterhaltsamen Schlusspointe. Wenn das hier tatsächlich der letzte Film von Woody Allen sein sollte, dann kann sich der Mann nach über 60 Jahren Filmschaffen entspannt zurücklehnen.