Religiöser Horror feiert gerade eine Renaissance. „Immaculate“ von Michael Mohan mit der zur Zeit omnipräsenten Sydney Sweeney in der Hauptrolle ist frisch in unseren Kinos gestartet – und nun läuft mit DAS ERSTE OMEN von Regie-Newcomerin Arkasha Stevenson bereits die direkte Konkurrenz an. Die Vorgeschichte zum teuflischen Horror-Klassiker „Das Omen“ (1976) von Richard Donner, brauchen wir die wirklich?
Zugegeben, die Story ist das größte Manko der ansonsten gelungenen Genre-Überraschung DAS ERSTE OMEN. Die junge Margaret (Nell Tiger Free), die in einem Kinderheim in den USA religiös erzogen worden ist, geht im Rom des Jahres 1971 ins Kloster, um ihr Gelübde als Nonne abzulegen. Bei der Arbeit im katholischen Vizzadelli-Waisenhaus trifft sie auf ein verstörtes Mädchen, das düstere Zeichnungen kritzelt und oft weggesperrt wird. Auch Margaret hat gelitten – und beginnt, schaurige Visionen zu haben. Als sie dann noch dem exkommunizierten Priester Brennan (Ralph Ineson) begegnet, der ihr von einer schrecklichen Verschwörung hinter Klostermauern berichtet, beginnt die Novizin zu ermitteln…
Die Kino-Debütantin Arkasha Stevenson, die auch am Drehbuch von DAS ERSTE OMEN mitschrieb, hat ihr Horror-Handwerk bei der US-amerikanischen Serie „Channel Zero“ von der Pike auf gelernt. Das von Studentenunruhen geprägte Rom der frühen Siebziger inszeniert sie erstaunlich stilecht – und auch die düstere Atmosphäre im Kloster nimmt gefangen. Die Filmmusik von Mark Korven und das Sounddesign verstärken die Schauwerte kongenial. Das verhältnismäßig große Budget von 30 Millionen Dollar hat der Disney-Konzern hier wirklich gut angelegt. Die können nicht nur Märchen, was auch die aktuelle Streamer-Werbung für Disney+ belegen soll.
Mit der noch relativ unverbrauchten Britin Nell Tiger Free (vor allem bekannt aus M. Night Shyamalans Mystery-Serie „Servant“) als Margaret ist ein absoluter Besetzungscoup gelungen. Im Gegensatz zu Sydney Sweeney in „Immaculate“ spielt sie bei DAS ERSTE OMEN einfach grandios – die Emotionen lassen sich nuancenreich in ihrem Gesicht ablesen und auch der körperliche Horror wirkt glaubhaft. Zudem sind die Nebenrollen mit Bill Nighy als zwielichtiger Kardinal Lawrence und der Brasilianerin Sonia Braga in der Rolle von Äbtissin Schwester Silvia glänzend besetzt.
Was nicht unbedingt zu erwarten war, ist eine durchaus schockierende Body Horror-Geburtsszene im Kloster – „Alien“ lässt grüßen. Auch „Der Exorzist“ wird in einer TikTok-artigen Sequenz zitiert. Und sogar Splatter-Elemente kommen nicht zu kurz. Hervorzuheben ist zudem, dass das Grauen ohne Effekte-Budenzauber schön old school daherkommt. Leider wird DAS ERSTE OMEN nicht gradlinig und straff genug erzählt – knapp zwei Stunden Lauflänge sind wirklich zu viel. Und die abschließende Geburt des Bösen und somit der Anschluß an „Das Omen“ wirkt arg konstruiert.