Du wirst mich in Erinnerung behalten

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Filme über dieses ernste Thema müssen nicht unbedingt so melancholisch-komödiantisch sein wie Til Schweigers „Honig im Kopf“ oder dessen selbst inszeniertes, aber total missglücktes US-Remake. Auch das warmherzige franko-kanadische Melodram DU WIRST MICH IN ERINNERUNG BEHALTEN von Eric Tessier erzählt von einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung – mit all seinen familiären Problemen. Doch diesmal wird die traurige Grundstruktur nicht mit unnötigen Gags aufgepäppelt. Und das ist auch gut so! Der Film basiert übrigens auf dem gleichnamigen Theaterstück von François Archambault.

Der emeritierte und angesehene Geschichtsprofessor Edouard (Rémy Girard) gibt vor seiner geliebten Bücherwand im heimischen Wohnzimmer sein letztes TV-Interview. Trotz der Hilfe seiner geliebten Ehefrau Madeleine (France Castel) an seiner Seite verheddert er sich ständig und vergisst alles. Die Sendung endet in einem Wutanfall des Professors. Nach der missglückten Aufzeichnung ist Madeleine mit den Nerven am Ende und schiebt ihren Mann zu ihrer Tochter Isabelle (Julie Le Breton) und deren neuem Freund Patrick (David Boutin) ab. Jetzt soll diese sich gefälligst um ihren senilen Vater kümmern.

Als die erfolgreiche TV-Reporterin Isabelle für zwei Tage die Stadt verlassen muss und Patrick ein wichtiges Vorstellungsgespräch nicht absagen kann, kommt dieser auf die „tolle“ Idee, seine kaum volljährige und lebensuntüchtige Tochter Bérénice (Karelle Trembley) für die Betreuung zu engagieren – natürlich gegen Bezahlung. An diesem bizarren Abend fragt Edouard seine junge Begleiterin gleich zehnmal: „Wer bis du denn?“ Ihre trockene Antwort: „Schau auf deinen Notizblock!“ Was sie nicht ahnt: Edouard verwechselt sie ständig mit seiner zweiten Tochter Natalie, die mit 19 Jahren Selbstmord begangen hatte. (Unter uns: Dieser dramaturgische Schlenker hätte nicht sein müssen.)

Am Ende raufen sich alle zusammen. Allerdings landet Edouard trotz aller Versuche im Pflegeheim. In der letzten Szene sitzen Edouard und Bérénice unter blühenden Bäumen, wobei Regisseur Eric Tessier ganz bewusst offen lässt: Ist dies nur ein Traum? Man kann diesem sympathischen Film mit uns kaum bekannten, aber brillanten kanadischen Schauspielern nicht viel vorwerfen – nur das: Das Timing stimmt nicht immer. Wie schön, dass der Film von 2020 (!) doch noch den Weg in unsere Kinos gefunden hat!