Die Fotografin

19.09.2024

Mit dem eindrucksvollen Biopic DIE FOTOGRAFIN zeichnet die Regisseurin Ellen Kuras ein vielschichtiges Bild der Kriegsberichterstatterin Lee Miller während ihres prägendsten Lebensabschnitts an der Front des Zweiten Weltkriegs.

Lee Miller (Kate Winslet) war ihrer Zeit schon immer voraus. Mutig trifft sie ihre Entscheidungen und lässt sich nicht einmal ansatzweise unterkriegen. Kurz vor dem Blitzkrieg folgt sie der Liebe ihres Lebens, dem Kunsthändler Roland Penrose (Alexander Skarsgård) nach London, wo sie eine Anstellung als Fotografin bei der renommierten Vogue erhält. Doch Miller ist frustriert von den Einschränkungen als weibliche Fotografin. Also drängt sie die Chefredakteurin Audrey Withers (Andrea Riseborough) dazu, die Erlaubnis zu beantragen, als Fotografin an die Front gehen zu dürfen. Doch daraus wird erst einmal nichts, Miller wird vom britischen Militär aufgrund ihres Geschlechts abgewiesen. So leicht lässt sich Miller jedoch nicht unterkriegen. Sie versucht es einfach beim US-Militär (schließlich ist sie Amerikanerin) und erhält dort letztendlich eine Kriegsakkreditierung. Umgehend macht sie sich auf den Weg an die Front. Alleine.

Dort schließt sie sich mit ihrem Fotografenkollegen David E. Scherman (Andy Samberg) zusammen, und die beiden werden ein unschlagbares Team. Meist sind sie die Ersten, die exklusive Meldungen und Bilder von der Front, sowie von der Befreiung von Paris veröffentlichen. In München gelingt ihnen dann der größte Coup: Sie schleichen sich in Hitlers verlassene Wohnung, wo das bekannteste und wichtigste Bild von Miller selbst entsteht: in der Badewanne des Führers. Danach zählen sie zu den ersten Fotografen, die die Lager Buchenwald und Dachau betreten, wo Miller in jenen erschreckenden und eindringlichen Bildern insbesondere die Not von Frauen und Mädchen dokumentiert, die sich in die Geschichte einbrennen werden – die aber auch Miller selbst bis an ihr Lebensende nicht mehr loslassen…

Nach der Weltpremiere auf dem Toronto International Film Festival stellte Kate Winslet ihren Film im Sommer dieses Jahres persönlich beim Filmfest München vor, wo sie im Anschluss in einem aufschlussreichen Gespräch den beiden Festivalleitern Julia Weigl und Christoph Gröner Rede und Antwort stand. Winslet spielt nämlich nicht nur die Hauptrolle, sie hat den Film auch produziert. Die Arbeit an DIE FOTOGRAFIN begann bereits 2016: Über mehrere Jahre hinweg tauchte Winslet gemeinsam mit Lee Millers Sohn Anthony Penrose in ihre persönlichen Archivmaterialien ein. Besonders wichtig waren ihr dabei die Ereignisse, die Miller dazu bewegt haben, ihre Stimme als Zeugin des grauenvollen Krieges zu nutzen.

Doch der Weg begann bereits viel früher, als Winslet ein Relikt aus Millers Besitz ersteigerte: „Vor neun Jahren rief mich ein wirklich guter Freund an, der in Cornwall lebt und für ein Auktionshaus arbeitet. Er sagte: ‚Kate, in einer bevorstehenden Auktion wird ein erstaunlicher Tisch versteigert, den musst du unbedingt erwerben. Die Geschichte dahinter ist unglaublich! Da mein Freund wusste, dass ich gerne koche und große Abendessen ausrichte und alte Tische liebe, wusste er, dass dies meine Neugier wecken würde. Schließlich habe ich ihn gekauft. Er ist wunderschön. Er ist alt und knorrig, mit einer rauen, unebenen Oberfläche. Er bietet Platz für etwa acht Personen!“ Der Tisch war das Herzstück des Hauses, in dem Lee Miller viele glückliche Jahre im britischen Cornwall verbrachte. Und je mehr Winslet über Miller herausfand, desto häufiger stellte sie sich die Frage, warum bislang niemand einen Film über diese herausragende Frau gemacht hatte.

Also setzte sich Winslet mit Anthony Penrose in Verbindung und stellte ihm genau diese Frage. Er sagte ihr: „Viele Männer haben versucht, einen Film über Lee zu drehen. Wir haben eine ganze Kiste mit Drehbüchern auf dem Dachboden, die nie umgesetzt wurden.“ Auf die Frage von Winslet, warum das so sei, antwortete Anthony: „Sie haben sie einfach nicht richtig verstanden.“ Fortan nahm es sich Winslet zur Aufgabe, das wahre Wesen der Fotografin zu erkunden. Ausgehend von Anthony Penroses Buch „Immer lieber woandershin – Die Leben der Lee Miller“ entdeckte Lee die Komplexität dieser brillanten, warmherzigen, charismatischen und mutigen Frau.

Schnell war Winslet jedoch klar, dass DIE FOTOGRAFIN kein typisches Biopic werden sollte – dafür war Millers Leben einfach zu komplex. Irgendwann kam man auf Idee, die ältere Lee Miller (ebenfalls gespielt von Kate Winslet) von einem einem jungen Mann (Josh O’Connor) über ihre Leben interviewen zu lassen. Das erwies sich als Glücksgriff, denn gerade der Blick der älteren Lee Miller zurück auf ihre Bilder verleiht dem Film eine immense Tiefe.

Mit DIE FOTOGRAFIN gelingen der Regisseurin Ellen Kurnas, die sich bereits als Kamerafrau einen Namen gemacht hat (u.a. „Vergiss Mein Nicht – Eternal Sunshine of the Spotless Mind“) und Kate Winslet ein eindrucksvolles Portrait einer starken Frau. Und am Ende fragt man sich unweigerlich, warum man von ihr bislang so wenig gehört hat.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Lee (Irland 2024)

Länge

117 Minuten

Genre

Drama / Biographie

Regie

Ellen Kuras

Drehbuch

Liz Hannah, Marion Hume, John Collee

Darsteller

Kate Winslet, Andy Samberg, Josh O ́Connor, Alexander Skarsgård, Marion Cotillard, Andrea Riseborough, Noemie Merlant

Verleih

Studiocanal GmbH

Filmwebsite

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