Völlig unscheinbar kommt BROKE. ALONE. A KINKY LOVE STORY um die Ecke und entpuppt sich als erfrischend starkes Regie-Debüt von Anna Unterweger mit einer umwerfenden Hauptdarstellerin Nora Islei. So muss gutes deutsches Kino aussehen!
Gerade erst wurde die Kunststudentin Sarah (Nora Islei) für zwei Wochen in Corona-Quarantäne geschickt, da erwischt sie ihren Freund Jonas (John Förster) mit einer anderen im Bett. Kurzerhand wirft sie die beiden Fremdvögler mit einer Paintball-Pistole eindrucksvoll aus der Wohnung. Doch nicht nur das: Es stellt sich heraus, dass er seit sechs Monaten die Miete nicht bezahlt und das Geld stattdessen lieber für einen Online-Camgirl-Service ausgegeben hat. Ganze zwei Wochen hat sie nun Zeit, bevor ihr Vermieter (Tim Wilde) sie aus der Wohnung wirft.
Ihren Psychologen-Vater (Gedeon Burkhard) um Hilfe bitten, kommt für Sarah auf gar keinen Fall in Frage, schließlich hat sie gegen seinen Willen das Psychologie- gegen ein Kunst-Studium getauscht. Doch als der Verkauf ihrer Bilder, das Anbieten von Malkursen oder die Auszahlung des Bausparvertrags keinerlei Geld in die knappe Kasse spülen, kommt ihr die Idee, sich diese Camgirl-Seite einmal etwas genauer anzusehen, auf der Jonas das ganze Geld verprasst hat. Mit unbeholfenen Tanzversuchen und skurrilen Party-Kostümen hält sich der Erfolg aber auch dortin Grenzen. Also holt sie sich Hilfe bei ihrer besten Freundin Mila (Pauline Afaja). Dumm nur, dass die gerade Besuch von ihrem Bruder Tim (Julian Bloedorn) hat, der sich immer wieder in ihre Gespräche einmischt – schließlich verbindet Sarah und Tim eine unangenehme Vorgeschichte.
Irgendwann findet Sarah ganz unbeabsichtigt ihre Marktlücke: In Gesprächen mit ihren verqueren Kunden mit den verschiedensten sexuellen Vorlieben und Sehnsüchten entwickelt sie sich zu einer Art Camgirl-Therapeutin und verbindet die Erotik mit ihrer Kunst. Langsam füllt sich das Konto, doch als auch der Kontakt zu Tim intensiver wird, muss sich Sarah entscheiden, wohin die Reise gehen soll…
Das hätte durchaus ein verklemmter Softporno werden können, doch Regisseurin Anna Unterweger macht mit BROKE. ALONE. A KINKY LOVE STORY alles richtig. Sie erzählt die leicht absurde Geschichte mit so viel Einfallsreichtum, dass es eine wahre Freude ist, der Protagonistin bei ihrem Kampf um den Erhalt ihrer Wohnung zuzusehen. Das liegt aber auch immens an Nora Islei, die die Figur der Sarah mit mit einer solchen Natürlichkeit spielt, das man als Zuschauer aus dem Staunen gar nicht wieder rauskommt. Selten habe ich so viel Spielfreude auf der Leinwand gesehen. Was für eine Entdeckung!
Unterweger gelingt es, ihre Geschichte ohne Fremdschäm-Momente zu erzählen. Sie gibt ihre Figuren zu keinem Zeitpunkt der Lächerlichkeit preis, obwohl sie so manches Mal dazu die Gelegenheit gehabt hätte. Wir lachen mit den Figuren, nicht über sie, und das macht eine Menge aus.
Hinzu kommt ein eindrucksvoller Soundtrack vom Hannoveraner Produzenten Mousse T., der für jede Szene den passenden Song findet. Das wirkt alles irgendwie vertraut, ohne dass es sich um bekannte Chart-Hits handelt. Ganz zu schweigen von einem tollen Setdesign, einer eindrucksvollen Kamera und einem nahezu perfekten Schnitt.
Es gibt sie also noch, die deutschen Filme, in denen man dem Nachwuchs freien Lauf lässt. So unbeschwert und eindrucksvoll war deutsches Kino schon lange nicht mehr. Davor verneige ich mich und hoffe, dass wir in Zukunft noch sehr viel mehr von Anna Unterweger und Nora Islei sehen werden. Ich bin auf jeden Fall mehr als bereit dazu.
Broke. Alone. A Kinky Love Story (Deutschland 2024)
94 Minuten
Komödie / Romanze
Anna Unterweger
Frank Buckel, Michael Lütje, Hauke Schlichting
Nora Islei, Julian Bloedorn, Pauline Afaja, Gedeon Burkhard, Tim Wilde, Caroline Beil, Guido Broscheit, Tobias Schenke, Luna Schweiger, Axel Schreiber, Marc Philipps
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