Barbie

Autor: Michael Spangenberg

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Beim Gedanken an BARBIE werden viele vielleicht erstmal denken: „Oh, nein danke“. Doch dieses Mal sollte man tatsächlich seine Vorurteile über Bord werfen, schließlich hat Indie-Liebling Great Gerwig („Little Women„, „Frances Ha„) hier Regie geführt und zusammen mit ihrem Mann Noah Baumbach („Marriage Story„) das Drehbuch geschrieben…

Jeden Tag wacht BARBIE (Margot Robbie) in ihrem eigenen Paradies auf: Barbieland. Hier ist alles perfekt, friedlich und harmonisch. Man muss noch nicht einmal selber laufen – man schwebt einfach dahin. Doch eines Tages ist irgendetwas anders. Statt der High-Heels-Füße berühren ihre Hacken plötzlich den Boden – Plattfüße! Und als würde das nicht genügen, schwirren ihr auf einmal Todesgedanken durch den Kopf. Schnell ist klar, dass sie „Weird Barbie“ (Kate McKinnon) aufsuchen muss. Diese etwas abgedrehte Version einer Barbie hat wild zerschnittenes Haar, diverse Filzstiftlinien in ihrem Gesicht und verbringt die meiste Zeit im Spagat. Sie offenbart Barbie, dass sie sich in die reale Welt aufmachen muss, um das Kind zu finden, das mit ihr spielt. Nur so kann das Band zwischen den beiden wieder ins Lot gebracht werden. Gesagt getan. Barbie macht sich auf in die reale Welt und muss feststellen, dass es hier alles andere als perfekt ist. Entgegen aller Aussagen dürfen Frauen hier doch nicht alles sein, was sie wollen. Und was hat es eigentlich mit diesem Patriarchat auf sich…?

Mit der Bekanntgabe, das Greta Gerwig Regie führen und das Drehbuch zusammen mit ihrem Ehemann Noah Baumbach schreiben würde, war klar, dass wir bei BARBIE nicht mit einer typischen dumpfen Verfilmung eines Spielzeugs rechnen durften. Schließlich sind die beiden bekannt für ihre tiefgründigen und künstlerisch wertvollen Filme. Und siehe da: die beiden haben nicht enttäuscht. Nicht einmal ein kleines Bisschen.

Trotz der grellbunten Farben überrascht der Film sogar mit weitaus mehr Haltung, als man anfangs vermuten konnte. Denn BARBIE ist vielleicht ein wenig naiv, aber keinesfalls dumm. Sie weiß was sie will und dass sie sich in entscheidenen Momenten durchsetzen muss. Auch wenn sie das erst noch lernen muss. Auch wenn sie die stereotypische BARBIE ist, bedeutet das nicht, dass sie sich unterbuttern lässt.

Großartig ist auch die Darstellung von Ken, bzw. der vielen Kens. Niemand fragt sich, wo sie überhaupt leben – man fragt sich eher, wie sie bislang überhaupt alleine überleben konnten. Nur wenn sie BARBIE ansehen, haben sie ihre Daseinsberechtigung erfüllt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Greta Gerwig überrascht mit so vielen grandiosen Einfällen, dass man diese hier gar nicht alle aufführen kann. So singen die Kens in einer Szene ihren Barbies beispielsweise den Song „Push“ von „Matchbox Twenty“ vor, in dem es augenscheinlich um Beziehungsprobleme geht. Tatsächlich handelt der Song, mit dem die Band rund um Rob Thomas 1996 ihren großen Durchbruch hatte, von der Rivalität mit einer anderen Band. How sophisticated…

BARBIE ist ein Film, den man gesehen haben muss, um sich von seiner Genialität zu überzeugen. Auf gar keinen Fall sollte man ihn meiden, weil man „mit Barbies nichts am Hut hat“. Das wäre eine fatale Fehleinschätzung…

Trailer