Oppenheimer

20.07.2023

Der 1970 in London geborene und inzwischen in den USA lebende Christopher Nolan zählt spätestens seit seiner sogenannter„Dark-Knight“-Trilogie – zuvor hatte er schon mit dem ungewöhnlich geschnittenen „Mememto“ begeistert – zu den einflussreichsten Regisseuren Hollywoods. Nolan bekennt sich ausdrücklich als Autorenfilmer – und hat dennoch geschafft, den Spagat zwischen „Arthouse“ und „Blockbuster“ immer wieder zu meistern. Der Erfolg gibt ihm jedes Mal recht. Doch mit dem filmischen Geniestreich OPPENHEIMER geht er ganz bewusst an die Grenzen – an seine und an unsere!

Nolan hatte nie die Absicht, ein konventionelles Biopic über den „Vater der Atombombe“ J. Robert Oppenheimer zu drehen. Angelehnt an die Biografie „American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer“ von Kai Bird und Martin J. Sherwin hat Nolan nach eigenem Drehbuch eine Art Filmessay geschaffen, der uns Kinozuschauer nach unglaublichen 181 (!) Minuten wie erschlagen zurücklässt. Das Meisterwerk hat nur einen Nachteil, der sich aber nicht auf die Wertung auswirkt: Ein bisschen Ahnung sollte man schon vom Thema haben, sonst verliert man irgendwann das Interesse – und die Lust. Denn Nolan springt ständig zwischen den Zeitebenen hin und her. Das ist gewöhnungsbedürftig!

Wie inszeniert man im Jahr 2023 einen Film über die Atombombe? Natürlich wollte Nolan keine hymnische Verklärung der neuen Technik präsentieren. Oppenheimers Zweifel sind von Anfang an spürbar – immer wieder blendet der Film surrealistische (und sehr poetische) Albträume des Physikers ein: Sterne, Explosionen, Wassertropfen. Und in der besten Szene des Films zeigt er die Auswirkungen der Atombombe, ohne diese explizit zur Schau zu stellen. Genial. (Welche Szene ich meine, darf jeder Zuschauer für sich selbst erfahren – dies ist nämlich kein „Spoiler“.)

Der Ire Cillian Murphy ist Oppenheimer wie aus dem Gesicht geschnitten. Seine Darstellung ist schlichtweg sensationell. Körperhaltung, Mimik, ständig die Pfeife oder die Zigarette im Mund – hier stimmt alles! Oppenheimers Leben wird – natürlich nicht chronologisch – vollständig abgehandelt: sein Studium in England, in Göttingen trifft er Werner Heisenberg (Matthias Schweighöfer), dann die Erfolge in Princeton, wo er Albert Einstein (Tom Conti) begegnet, und der entscheidender Auftrag, unter der Führung von General Leslie Groves (Matt Damon) wissenschaftlicher Leiter des „Manhattan-Projekts“ zu werden: 1942 wurde in der Wüste von New Mexico die künstliche Stadt Los Alamos gebaut, um die erste Atombombe zu bauen und zu testen. Sein Gegenspieler ist Edward Teller (Benny Safdie), der eher den Bau einer Wasserstoffbombe forcieren will. Doch was beiden Sorgen bereitet: Wird die erste Atombombe die Erdatmosphäre in Brand setzen? Als Oppenheimer dies kurz vor dem Test mit General Groves diskutiert, sagt er, das Risiko tendiere gegen Null. Groves: „Null wäre mir lieber.“

Wie wir alle wissen, gelang der Test, und Präsident Truman (Gary Oldman) befahl den Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Doch Oppenheimer bekam seine Zweifel nicht los – was Nolan sehr intensiv inszeniert. Nach dem Krieg wurde der Politiker Lewis Strauss (Robert Downey Jr.), Mitgleid der US-Atomenergiebehörde sein erbitterter Gegner, der den Physiker verdächtigte, Kommunist und möglicher Spion zu sein. Schließlich sei dessen Frau Kitty (Emily Blunt) – die Ehe mit Oppenheimer war bereits ihre vierte – eine überzeugte Kommunistin.

Über den Film ließe sich noch unglaublich viel mehr erzählen, aber das würde den Rahmen hier vollends sprengen. Hervorzuheben sei aber noch die wunderbare Florence Pugh, die, genau wie alle anderen Darsteller, eine meisterliche Darstellung abliefert.

Wenn man sich ein klein wenig in der Geschichte von J. Robert Oppenheimer auskennt und zumindest die wichtigsten Namen bereits einmal gehört hat, dann ist OPPENHEIMER ein absolutes Meisterwerk, wie es nur von einem Christopher Nolan kommen kann. Verpassen sollte diesen Film aber wirklich niemand!

Trailer

ab12

Originaltitel

Oppenheimer (USA 2023)

Länge

181 Minuten

Genre

Biographie / Historie / Drama

Regie

Christopher Nolan

Drehbuch

Christopher Nolan, nach dem Buch „American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer“ von Kai Bird und Martin J. Sherwin

Darsteller

Cillian Murphy, Emily Blunt, Matt Damon, Robert Downey Jr., Florence Pugh, Josh Hartnett, Kenneth Branagh, Benny Safdie, Dylan Arnold, Gustaf Skarsgård, David Krumholtz, Matthew Modine, David Dastmalchian, Tom Conti

Verleih

Universal Pictures International Germany GmbH

Filmwebsite

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