Der Film der Woche

Arielle, die Meerjungfrau

25.05.2023

Mit ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU setzt Disney die Reihe mit Live-Action-Remakes seiner Animations-Klassiker fort. Aber dieses Mal stimmt die Umsetzung, denn Regisseur Rob Marshall hat nach dem Prinzip „Repariere es nicht, wenn es nicht kaputt ist“ gearbeitet…

Irgendwann zu Beginn des 19. Jahrhunderts und irgendwo auf einer fiktiven Insel in der Karibik: Arielle (Halle Bailey), die 18-jährige Meerjungfrau, hat eine wunderschöne Stimme und einen unbändigen Abenteuerdrang. Sie ist die jüngste Tochter von König Triton (Javier Bardem), der aus seinem Unterwasser-Königreich heraus die Ozeane beherrscht. Frustriert von den Grenzen, die ihr Vater ihr setzt, ist Arielle fasziniert von der der Welt über der Wasseroberfläche. Doch diese Welt wird von Menschen bewohnt und Triton hat seinen Meeresbewohnern jeglichen Kontakt mit diesen Wesen untersagt.

Ihre Tage verbringt Arielle damit, mit ihrem fischigen Freund Fabius (Original-Stimme: Jacob Trembley) umher zu schwimmen und menschliche Artefakte aus einem versunkenen Schiff zu sammeln – sehr zum Unmut von Krabbe Sebastian (Original-Stimme: Daveed Diggs), die Trition damit beauftragt hat, auf Arielle aufzupassen. Als sie wieder einmal aus dem Wasser auftaucht, entdeckt sie Prinz Eric (Jonah Hauer-King), den sie später rettet, als er Schiffbruch erleidet.

Nachdem Triton Arielles Schatzkammer entdeckt, zerstört er all ihre Artefakte. Niedergeschlagen, aber entschlossener denn je, die Welt der Menschen zu erkunden, schließt sie einen Pakt mit der bösen Seehexe Ursula (Melissa McCarthy). Arielle verzichtet auf ihre Flosse und ihren betörenden Gesang im Austausch für zwei Beine und die Möglichkeit, die menschliche Welt erkunden zu können. Allerdings muss sie binnen drei Tagen einen Kuss der wahren Liebe erfahren, ansonsten wird sie bis in alle Ewigkeit Ursula gehören.

An Land trifft Arielle im königlichen Schloss offiziell auf Prinz Eric, doch dieser ignoriert sie, weil er zu sehr darauf fokussiert ist, die geheimnisvolle Meerjungfrau zu finden, die ihm das Leben gerettet hat…

Ich muss zu geben, dass ich bislang kein großer Freund der Live-Action-Remakes von Disney bin. Weder „Aladdin„, noch der „König der Löwen“ konnten mich bislang vollends überzeugen. Lediglich „Die Schöne und das Biest“ und „Mulan“ waren ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mit ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU hat Regisseur Rob Marshall aber jetzt für meine Begriffe alles richtig gemacht. Die Neuverfilmung ist extrem dicht am Original, nimmt sich aber die Freiheit, die Geschichte ein wenig umzustrukturieren, Songs rauszuschmeissen und neue Musik einzufügen. All das geschieht aber nicht ohne triftigen Grund, wie Marshall mir im Interview (s.u.) verraten hat.

Natürlich ist eine Geschichte, in der eine Frau nur dann an ihr Ziel gelangt, wenn sie den Kuss der wahren Liebe eines Mannes erlangt, überhaupt nicht mehr zeitgemäss. Aber in diesem Fall basiert der Film, wie auch bereits der Animationsfilm aus dem Jahre 1989, auf dem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen (1805 – 1875). Marshall und seinem Team war das klar und so haben sie zumindest einzelne Textpassagen in den Songs angepasst, um Arielle weniger abhängig von einem Mann darzustellen.

Gleiches geschieht durch den Ausbau der Geschichte der Figur des Prinzen Erics. Hier war es Marshall wichtig zu zeigen, dass sich Eric in seiner Welt genauso unzufrieden und eingeengt fühlt, wie Arielle in ihrem Meeresreich. Kein Wunder also, dass einer der drei neuen Songs von Eric gesungen wird.

Gleich die Eröffnungssequenz dürfte die meisten überraschen. Startet das Original umgehend mit einem Song, wird hier auf genau diesen verzichtet. Stattdessen widmet sich der Film ausgiebig der faszinierenden Unterwasserwelt. Dadurch baut sich beim Zuschauer eine Erwartungshaltung auf, die dann nach 15 Minuten endlich durch den bekannten Song „In Deiner Welt“ (Part of Your World) gestillt wird. Dramaturgisch funktioniert das in meinen Augen sehr viel besser – und ich bin ein absoluter Fan des Originals!

Für den Soundtrack und die neuen Songs zeichnet sich der Komponist Alan Menken verantwortlich, der nicht nur das Original vertont hat, sonder auch etliche andere Disney-Filme wie „Die Schöne und das Biest“, „Pocahontas“, „Aladdin“ und viele weitere. Für die Neuverfilmung hat er gemeinsam mit Regisseur Rob Marshall entschieden, welche Songs bleiben (natürlich „Part of Your World“ und der Oscar-, Golden-Globe- und Grammy-prämierte „Under the Sea“) und welche weichen müssen. So hat es der Song von Sebastian, der Krabbe, nicht mehr geschafft, weil er wie eine Art Abstecher wirkt, der nicht wirklich etwas mit der eigentlichen Handlung zu tun hat. Das funktioniert vielleicht in einem Animationsfilm, aber eben nicht in einer Realverfilmung.

Für Alan Menken war es zudem ein wunderbares Erlebnis, sich nach mehr als 30 Jahren wieder mit dem von ihm komponierten Soundtrack auseinanderzusetzen. Denn schließlich war „Arielle“ damals seine allererste Arbeit an einem Film, wie er mir im Interview (s.u.) verraten hat. Die neuen Songs hat er gemeinsam mit Lin-Manuel Miranda („Hamilton“, „In the Heights„) geschrieben.

Alle Entscheidungen, auf Dinge zu verzichten, Erzählstränge auszubauen oder neue Songs einzubinden, sind hier alles andere als willkürlich. Und all das, was im Original gut war, wurde genau so belassen, gemäß der Prämisse „Don’t fix it if it ain’t broken“.

Doch ARIELLE DIE MEERJUNGFRAU wäre nicht so gut, wenn es die Darsteller*innen nicht wären. Halle Bailey als Arielle ist eine absolute Wucht und überzeugt sowohl durch ihre Darstellung, als auch mit ihrem wunderbaren Gesang auf allen Linien. Sie trägt den Film mit einer solchen Leichtigkeit, dass es eine Freude ist, ihr zuzusehen. Und Jonah Hauer-King zeigt einmal mehr, zu welchen Leistungen er imstande ist. 2017 hat er mir – frisch nach seinem Abschluss – gemeinsam mit Danny Huston zum Film „The Last Photograph“ sein allererstes Interview gegeben. Damals sagt die den Film betreuende Publizistin zu mir „Merk Dir meine Worte: Er wird mal ein ganz Großer werden“ – sie sollte Recht behalten.

ARIELLE, DIE MEERJUNGFRAU ist genau das Live-Action-Remake, dass wir uns gewünscht haben. Ich kann es kaum erwarten, den Film ein zweites Mal zu sichten…

Interview

Im Rahmen der Deutschland-Premiere hatte ich die Gelegenheit, mit dem Komponisten und der Disney-Legende Alan Menken, sowie dem Regisseur Rob Marshall über den Film zu unterhalten.

Trailer

FSK noch unbekannt

Originaltitel

The Little Mermaid (USA 2023)

Länge

135 Minuten

Genre

Abenteuer / Drama / Musical

Regie

Rob Marshall

Drehbuch

David Magee, basierend auf dem Märchen von Hans Christian Andersen, sowie dem gleichnamigen Animationsfilm von John Musker & Ron Clements

Darsteller

Halle Bailey, Daveed Diggs, Jacob Tremblay, Awkwafina, Jonah Hauer-King, Art Malik, Noma Dumezweni, Javier Bardem, Melissa McCarthy

Verleih

Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH

Filmwebsite

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