Abteil Nr. 6

31.03.2022

Ein finnischer Regisseur dreht in Russland – (fast) komplett auf Russisch! ABTEIL NR. 6 von Juho Kuosmanen gewann beim Filmfestival in Cannes 2021 den „Grand Prix“ – und wir sind dankbar. Die schwierigen Beziehungen der nordischen Nachbarn beschäftigen uns seit Jahrzehnten. Hier ist EIN Resultat zu bewundern. Ein Road/Train-Movie, das viele Fragen offen lässt. Und uns zum Nachdenken zwingt.

Die Finnin Laura (Seidi Haarla) studiert in Moskau Archäologie. Mit ihrem unbeholfenen Russisch hat sie sich in ihre Kommilitonin Irina (Dinara Drukarova) verliebt. Doch ihre Beziehung steht unter keinem guten Stern. Irina blockt, aber Laura will unbedingt die berühmten Felszeichnungen (10 000 Jahre alt!) im arktischen Murmansk bewundern – mitten im Winter. Also fährt sie alleine los!

ABTEIL NR. 6 bebildert diese extreme Reise. Den ersten Schock erlebt Laura bei der Abfahrt. Sie muss auf der tagelangen Zugfahrt nach Murmansk ihr Schlafwagen-Abteil mit Ljoha (Yuriy Borisov) teilen, dem Prototyp eines unsympathischen Russen: kurzgeschorene Haare, hager, geschwätzig, alkoholabhängig. Wie soll das funktionieren?

Warum tut sich Laura diese Strapazen an? Will sie ihre Liebe retten? Was will sie mit diesen dämlichen (sorry!) Felszeichnungen hoch im Norden? Das Tolle ist: Regisseur Juho Kuosmanen inszeniert genau diesen Schwebezustand. Laura kann Ljoha nicht ausstehen – muss sich aber mit ihm arrangieren. Bei einen Zughalt, der der ganzen Nacht dauert, lädt er sie ein, eine Verwandte von ihm zu besuchen. Es gibt selbstgebrannten Schnaps – dabei kommen sich Laura und Jljoha näher. (Warum der Zug ständig stundenlange Pausen macht, hat sich mir leider nicht erschlossen. Ich kenne nur die Deutsche Bundesbahn. Sorry!)

Nach Tagen sind sie in der weltweit größten Stadt nördlich des Polarkreises. Laura hat zwar ein Hotelzimmer, aber keine Fahrt zu den Felszeichnungen. Ein Taxifahrer: „Im Winter geht das nicht!“ Und so ist Ljoha ihre letzte Rettung: Er besorgt ein Boot. Hier deutet sich eine neue Liebe an, die Juho Kuosmanen ganz bewusst nicht zeigt. Ein Kuss – war’s das?

Eine Fremde in einer fremden Welt! Seida Haarla spielt diese verlorene Frau, als ob sie nicht dazugehört. Als sie endlich am Ziel ihrer Reise ist, wandert sie wie verloren über die Klippen mit den bizarren Felszeichnungen. Dieses Finale hat Juho Kuosmanen grandios inszeniert. Laura: „Was will ich hier? Ich bin nur eine Fremde!“ Es gibt noch eine Schneeballschlacht mit Ljoha – dann ist Schluss! Das Finale bleibt offen. Hier beweist ein Regisseur, dass man nicht alles erklären muss.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Hytti Nro 6 (Finnland / Deutschland / Russland / Estland 2021)

Länge

112 Minuten

Genre

Drama

Regie

Juho Kuosmanen

Drehbuch

Juho Kuosmanen, Livia Ulman, Juho Kuosmanen

Darsteller

Seidi Haarla, Yuriy Borisov, Dinara Drukarova, , Julia Aug, Lidia Kostina, Tomi Alatalo, Viktor Chuprov, Denis Pyanov, Polina Aug

Verleih

[eksystent distribution] Filmverleih Jakob Kijas

Filmwebsite

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