Warum ich Euch nicht in die Augen schauen kann

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Mit seinem Dokumentarfilm WARUM ICH EUCH NICHT IN DIE AUGEN SCHAUEN KANN nimmt uns der Regisseur Jerry Rothwell auf ein spannende Reise in die Welt des Autismus, auf der es einiges zu entdecken gibt.

Mit gerade mal 13 Jahren hat der Japaner Naoki Higashidas in seinem Buch „The Reason I Jump“ geschildert, wie wir Nicht-Autisten uns in etwa seine Welt vorstellen müssen. Bis dahin wurden Menschen, die sich nicht durch Sprache mitteilen können, in der ganzen Welt geächtet, in Institutionen verbannt, ja gar die Menschlichkeit abgesprochen. Rothwell zeigt in seinem Film (der hier den gleichen Titel trägt, wie die deutsche Ausgabe von Higashidas Buch) eine Handvoll Autisten und hinterlegt ihre Geschichten mit Passagen aus dem Buch. Das gelingt ihm größtenteils auch wirklich gut, aber entweder hat das Buch (das ich persönlich (noch) nicht kenne) zu wenig substantiellen Inhalt, oder dem Regisseur war es nicht wichtig, tiefergehende Hintergründe zu liefern.

In einem Fall teilen sich zwei autistische Freunde mit Hilfe einer Buchstabentafel mit. Für mich als Zuschauer war es überwältigend, zu sehen wie diese beiden Menschen sich dadurch fehlerfrei mitteilen konnten. Ich hätte aber gerne mehr über diese Technik erfahren, vor allem wie man einen autistischen Menschen überhaupt an ein solches Hilfsmittel heranführt. Das unterschlägt der Film aber leider.

Trotzdem habe ich durch den Film wertvolle Informationen gewonnen, beispielsweise wie sich die Wahrnehmung von Dingen unterscheidet. Für uns ist erst einmal der Gegenstand an sich vorhanden, bevor wir daran weitere Details erkennen. Hier läuft die Sache fast umgekehrt: Der Autist sieht erst einmal die ganzen Details, bevor er sich daraus den eigentlichen Gegenstand erschließen kann.

Ebenso erstaunlich fand ich die Tatsache, dass sich für manche Autisten Sätze, die gerade erst gefallen sind, auf einer Ebene mit Erinnerungen befinden, die vielleicht schon Jahre zurückliegen. Das erklärt hier und da vielleicht die für uns aus dem Nichts kommenden Gefühlsausbrüche.

Alles in allem bietet WARUM ICH EUCH NICHT IN DIE AUGEN SCHAUEN KANN einen wirklich interessanten Einblick in diese für uns so rätselhaft wirkende Welt. Allein dafür lohnt sich der Gang ins Kino.