Der Film der Woche

A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

31.03.2022

Zwei Oscars – jeweils für den „besten nicht englischsprachigen Film“ – machen deutlich: Der Iraner Asghar Farhadi zählt zu den bedeutendsten europäischen Regisseuren unserer Tage. Und auch sein neuer Film A HERO – DIE VERLORENE EHRE DES HERRN SOLTANI bestätigt nachdrücklich diesen Ruf. Das ist „Arthouse“-Kino vom Feinsten!

Nach zwei Ausflügen ins westliche Ausland – „Le Passe“ (2013) spielt in Paris und „Offenes Geheimnis“ (2018) in Spanien – ist Farhadi wieder in sein Heimatland zurückgekehrt, um die Geschichte eines tragischen „Helden“ zu erzählen. Unübersehbar benutzte er als Muster das neorealistische Meisterwerk „Fahrraddiebe“ (1948) des Italieners Vittorio de Sica – doch das ist völlig legitim und gleichzeitig eine Verbeugung vor dem großen Vorbild.

Der geschiedene und ziemlich naive Rahim (Amir Jadidi) sitzt im Schuldengefängnis – bei einer sich scheinbar lohnenden Geschäftsidee hatte er sich übernommen, war bei einem Kredithai gelandet, und sein kaltherziger Ex-Schwager will ihm als Bürge nicht mehr helfen. Rahim hatte (noch in Freiheit) zarte Bande mit der Logopädin seines sprachgestörten Sohnes geknüpft. Als diese an einer Bushaltestelle eine Handtasche mit wertvollen Goldmünzen findet, bietet sie ihm an, den Erlös als Anzahlung zu verwenden, um früher aus dem Knast zu kommen. Doch bei einem zweitägigen Freigang kommen ihm beim Juwelier Zweifel, und er gibt die Tasche zurück, als sich (nach einem erfolgreichen Aushang) die Eigentümerin meldet. Das erfährt der Gefängnisdirektor und will die Aktion des „Helden“ für seine Zwecke nutzen, indem er ein Fernsehteam für ein Interview mit Rahim einlädt.

Nach der Sendung erlangt Rahim eine lokale Berühmtheit, und eine Behörde bietet ihm sogar einen Job an. Doch dem Sachbearbeiter kommen langsam Zweifel. Irgend etwas stimmt an der Geschichte nicht. Gleich zu Beginn hatte Rahim nämlich schon geschwindelt, als er behauptete, die Handtasche selbst gefunden zu haben. Und inzwischen ist die Eigentümerin unauffindbar.

Wie in „Murphy’s Law“: Alles was Rahim anpackt, geht schief. Manchmal möchte man gar nicht mehr hinschauen: So viel Pech auf einmal kann doch ein einzelner Mann nicht haben! Verzweifelt kämpft der tragische „Held“ um seine Ehre – und nur seine neue Freundin und sein Sohn stehen unerschütterlich hinter ihm. Doch auch der mutige Bahram (Mohsen Tanabandeh), der Mann seiner Schwester, bei dem Rahims Sohn inzwischen lebt, ist ein weiterer Fels in der Brandung. Als sein Ex-Schwager, ein reicher Ladenbesitzer, trotz ständiger Bitten als Bürge nicht einlenken will, lässt sich der „Held“ zu einer Verzweiflungstat hinreißen – mit schrecklichen Folgen.

Diese Odyssee des Scheiterns inszeniert Asghar Farhadi mit schonungsloser Kamera in einem fast dokumentarischen Stil. Nur Amir Jadidi und Mohsen Tanabandeh sind professionelle Schauspieler, die restlichen Rollen hatte der Regisseur mit Laien besetzt. Auch diesmal schafft es Farhadi auf meisterliche Weise, die ausweglose Handlung mit so viel Empathie zu füllen, dass uns fast die Tränen kommen. (Ich mache kein Geheimnis draus: Asghar Farhadi ist einer meiner Lieblingsregisseure!)

Man denkt nicht nur an „Fahrraddiebe“. Die Fatalität des Weges in den Abgrund erinnert auch an die Erzählungen von Heinrich von Kleist. Dass am Ende immerhin ein Fünkchen Hoffnung bleibt, ist nur ein schwacher Trost. Wer nach dieser Erfahrung nicht erschüttert den Saal verlässt, sollte sich ein anderes Filmgenre suchen. Das ist beinhartes, grandioses Kino!

Trailer

ab12

Originaltitel

A Hero (Frankreich / Iran 2021)

Länge

128 Minuten

Genre

Drama / Thriller

Regie

Asghar Farhadi

Drehbuch

Asghar Farhadi

Darsteller

Amir Jadidi, Mohsen Tanabandeh, Fereshteh Sadrorafaii, Sahar Goldoust, Maryam Shahdaie, Ali Reza Jahandideh, Ehsan Goodarzi, Sarina Farhadi, Farrokh Nourbakht, Mohammad Aghebati, Saleh Karimai

Verleih

Neue Visionen Filmverleih GmbH

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