Werner Herzog – Radical Dreamer

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Ein Mann Ende 70 sitzt am Steuer seiner Limousine und kutschiert seine Begleitung durch das sonnendurchflutete Los Angeles. „Ich träume nie“, behauptet er. (Da wird ihm natürlich jeder Mediziner widersprechen. Alle Menschen träumen.) Doch dieser geniale Mensch setzt seit Jahrzehnten seine (nicht geträumten) Träume in Bilder um. Es ist der deutsche Filmregisseur Werner Herzog, der vor Jahren seine bayerische Heimat verlassen hatte und in Kalifornien ein neues Zuhause fand. Thomas von Steinaeckers einfühlsamer Dokumentarfilm WERNER HERZOG – RADICAL DREAMER wirft jetzt ein besonderes Licht auf diesen einzigartigen Künstler.

Werner Herzog ist ein Visionär. Schon im Alter von 25 Jahren setzte er in seinem in Griechenland gedrehten Spielfilmdebüt „Lebenszeichen“ eine unverwechselbare Marke. Gemeinsam mit seinen fast gleichaltrigen Kollegen Volker Schlöndorff, Wim Wenders und Rainer Werner Fassbinder kreierte er den Begriff des Neuen Deutschen Films. Eine Gruppe gleichgesinnter Autorenfilmer lösten sich erfolgreich von unsäglichen Tradition des deutschen Spießer-Kinos. Schlöndorff und Wenders kommen übrigens in dieser Doku selbst zu Wort.

Natürlich steht ein Schauspieler im Mittelpunkt: Klaus Kinski. Gleich fünf Filme drehte der durch seine Allüren bekannte Choleriker mit Herzog: „Aguirre, der Zorn Gottes“, „Nosferatu – Phantom der Nacht“, „Woyzeck“, „Fitzcarraldo“ und „Cobra Verde“. In den eingestreuten Dokumentaraufnahmen während der Dreharbeiten – oft im südamerikanischen Dschungel – wird deutlich, was dabei alles hätte schiefgehen können. Sogar eine Morddrohung stand im Raum. Diese Hassliebe zweier Egomanen prägte eine unvergleichliche filmische Symbiose.

Ein besonderer Höhepunkt des Films ist ein Ausschnitt aus der ersten Version von „Fitzcarraldo“, die nie ins Kino kam. Damals sollte Jason Robards die Rolle des Titelhelden spielen, doch während der auftreibenden Dreharbeiten erlitt er einen Herzinfarkt und musste abreisen. Dieser Fitzcarraldo hatte einen Kumpel an seiner Seite, der in der zweiten Version wegfiel. Sein Name: Mick Jagger!

In den USA verlegte sich Werner Herzog vor allem auf das Drehen von Dokumentarfilmen. In „Grizzly Man“ zeichnete er das makabre Porträt eines naiven Naturfreundes nach, der Zugang zu den Grizzly-Bären in Alaska suchte. Doch die haben ihm dies nicht vergolten – er und seine Freundin wurden von einem 28-jährigen Grizzly getötet und gefressen. Immerhin: Herzog hatte den Film mittels Archivaufnahmen erst in Angriff genommen, als beide Protagonisten schon tot waren.

Mit seinem extrem bayerisch gefärbten Englisch ist Herzog in den USA längst eine Institution – sogar bei den „Simpsons“ ist er mit diesem gewöhnungsbedürftigen Sprachstil bereits aufgetreten. Nicole Kidman, Christian Bale, Robert Pattinson, Patti Smith: Alle schwärmen in ihren Interviews von Herzogs Magie. Am 5. September 2022 ist Werner Herzog 80 Jahre alt geworden. Glückwunsch!