Schweigend steht der Wald

27.10.2022

Das hätte auch schief gehen können: ein symbolträchtiges Melodram über die Mythenwelt des deutschen Waldes. Doch der geheimnisvolle Thriller SCHWEIGEND STEHT DER WALD von Saralisa Volm umschifft alle Gefahren. Hier wird ein sehr düsteres Kapitel unserer Geschichte aufgegriffen und von der Regisseurin als Krimi verpackt. Der Autor Wolfram Fleischhauer schrieb das Drehbuch nach seinem eigenen gleichnamigen Roman.

Die 28-jährige Studentin der Forstwirtschaft Anja Grimm (Henriette Confurius) kehrt für ein Praktikum in die Oberpfalz in ein Dorf bei Weiden zurück, wo sie vor 20 Jahren mit ihren Eltern den Sommerurlaub verbracht hatte. Damals war ihr Vater von einer Wanderung nicht zurückgekehrt und blieb verschwunden. Jetzt soll sie genau in diesem Teil des Oberpfälzer Waldes, wo ihr Vater zuletzt gesehen wurde, die Gegend kartieren.

Mit einem Hohlbohrer holt sie unter dunklen Bäumen Bodenproben aus dem Erdreich und untersucht die Schichten. Auf einer Lichtung fällt ihr etwas Merkwürdiges auf: Hier gibt es eindeutig auf einem deutlich abgegrenzten Areal zu viele Brennnesseln, und die Erdschichten sind in einer seltsamen Reihenfolge angeordnet. Plötzlich taucht ein konfus wirkender Mann auf, der sein Gewehr auf sie richtet. Es ist der geistig behinderte Xaver (Christoph Jungmann), den sie noch aus Kindertagen kennt. Nach seiner abrupten Flucht stellt Anja erbost dessen Schwester Waltraud (Johanna Bittenbinder) zur Rede, bei der sie – wie schon als Kind – Quartier gefunden hat. Gemeinsam mit Waltrauds Sohn Rupert (Noah Saavedra), mit dem sie als Kind gespielt hatte, geht Anja zu Xavers abgelegenem Bauernhof, wo er mit seiner alten Mutter lebt. Sie finden die Frau mit eingeschlagenem Schädel in ihrem Bett und den blutüberströmten Xaver im Stall.

Hatte Xaver damals auch ihren Vater erschlagen, ist Anjas erster Gedanke. Als der festgenommene Mörder in der Psychiatrie Selbstmord begeht, scheint der Fall für Kommissar Konrad Dallmann (Robert Stadlober) abgeschlossen, zumal sein Vater, der inzwischen pensionierte Kommissar Gustav Dallmann (August Zirner), damals das Verschwinden von Anjas Vater untersucht hatte. Wer vertuscht hier was?

1979 hatte der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß mit dem italienischen Staatspräsidenten das ehemalige KZ Flossenbürg besucht und alle Polizisten im Umkreis dazu verpflichtet, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Hatte Anjas Vater damals etwas Entscheidendes aufgedeckt? Als Anja bei ihren Recherchen im Wald einfach nicht aufhören will, präsentiert ihr der Kommissar ein frisch entdecktes Grab: ein Skelett mit eingeschlagenem Schädel: die Leiche von Anjas Vater. Jetzt sollte sie doch endlich Ruhe geben…

Das Ganze wirkt bisweilen wie ein ARD-„Tatort“ – doch die Regisseurin hat es verstanden, gegen diese dramatische Handlung als Kontrapunkt den ruhigen Rhythmus des Waldes zu visualisieren. Hier ist alles eine Spur langsamer. Immer wieder sehen wir Anja, wie sie im Waldboden nach irgendwelchen Hinweisen sucht. Henriette Confurius spielt diese Figur mit aufopferungsvoller Energie und grenzenloser Ruhe. In einer Szene muss sie sogar ein von Anja erlegtes Wildschwein vor laufender Kamera selbst ausweiden. Meine Hochachtung!

SCHWEIGEND STEHT DER WALD ist kein rückständiger „Heimatfilm“, wie wir ihn aus den 1950er-Jahren kennen. Regisseurin Saralisa Volm hat es in ihrem Spielfilmdebüt verstanden, diese schreckliche Handlung wohltuend nüchtern und extrem streng zu erzählen – ohne aufdringliche Melodramatik.

Trailer

ab12

Originaltitel

Schweigend steht der Wald (Deutschland 2022)

Länge

95 Minuten

Genre

Krimi / Thriller

Regie

Saralisa Volm

Drehbuch

Wolfram Fleischhauer, nach seiem gleichnamigen Roman

Darsteller

Henriette Confurius, Noah Saavedra, August Zirner, Robert Stadlober, Johanna Bittenbinder, Johannes Herrschmann

Weitere Neustarts am 27.10.2022