Der Film der Woche

Was Dein Herz Dir sagt – Adieu Ihr Idioten!

20.10.2022

Wenn das keine Empfehlung ist?! WAS DEIN HERZ DIR SAGT – ADIEU IHR IDIOTEN! von Albert Dupontel erhielt bei der Vergabe des nationalen französischen Filmpreises sechs (!) Césars, unter anderem in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch und Beste Kamera. Vom Genre her setzt sich diese durchgeknallte Farce zwischen alle Stühle: Ist sie ein absurdes, modernes Märchen, eine schwarze Komödie oder eine hintergründige Science-Fiction-Parabel in der Tradition von Terry Gilliams „Brazil“? Der Film ist dies alles – und noch viel mehr!

Eine französische Großstadt in naher Zukunft – die Computer haben längst die Herrschaft über die Menschen übernommen. Die 43-jährige Friseurin Suze Trappet (Virginie Efira) erhält von ihrem leicht schusseligen Arzt (Bouli Lanners in einer kurzen Gastrolle) die niederschmetternde Diagnose, dass sie nicht mehr lange zu leben hat: Sie hatte in ihrem Beruf zu viel Haarspray eingeatmet, das im Laufe der Jahre ihre Lunge angegriffen und letztendlich zerstört hat. Im Alter von 15 Jahren war sie von ihrer Disco-Liebe geschwängert worden, doch auf Befehl ihrer Eltern musste sie das Baby zur Adoption freigeben. Kurz vor ihrem Tod will sie jetzt endlich ihren Sohn kennenlernen.

Als sie in der zuständigen Behörde nähere Informationen erhalten will, beißt sie beim Sachbearbeiter auf Granit: Die Computerdaten seien längst gelöscht. Plötzlich fällt ein Schuss, und der Beamte bricht schwer verletzt zusammen. Im Nebenraum wollte sich JB (Albert Dupontel), Computer-Nerd und soeben gefeuerter Sicherheitsexperte der Behörde, umbringen und seinen Selbstmord mit der Laptop-Kamera filmen – doch der Schuss geht im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten los und schlägt durch die Wand.

In der Behörde bricht das Chaos aus – jeder denkt sofort an ein Attentat. In der Hektik klaut Suze JBs Computerdaten und „kidnappt“ den Unglücksraben. Sie macht mit ihm einen Deal aus: Sie könnte seine „Unschuld“ beweisen, wenn er ihr bei der Suche nach ihrem Sohn hilft. Im Rathaus-Archiv, das der blinde (!) Monsieur Blin (Nicolas Marié) betreut, befinden sich noch handschriftliche Akten – vielleicht ist der entscheidende Vermerk dort vorhanden. Und so macht sich das bizarre Trio auf den Weg: eine verzweifelnde Sterbende, ein schüchterner Computer-Experte und ein tapferer Blinder, der dem Albtraum des Rathaus-Kellers entkommen ist – alle drei ständig auf der Flucht vor der Polizei und dem Geheimdienst.

Das Ende ist zu schön, um wahr zu sein: Nach vielen Umwegen finden sie tatsächlich Adrien (Bastien Ughetto), inzwischen ein hochbegabter Informatiker, der in einem supermodernen Wolkenkratzer arbeitet und heimlich in seine Kollegin Clara (Marilou Aussilloux) verliebt ist. Mit raffinierten Tricks gelingt es JB, auch dieses Hochhaus in ein Chaos zu stürzen. Er schafft es, dass sich Adrien und Clara im einzigen noch funktionierenden Fahrstuhl treffen. Das eigentliche Finale erinnert dann eher an einen Italo-Western. Dieser (in meinen Augen notwendige) Schluss ist in der Tat gewöhnungsbedürftig!

Das alles packt Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Albert Dupontel in nur 87 (!) Minuten, die in einem atemberaubenden Rhythmus am Zuschauer vorbeirauschen. Hier stimmt einfach alles: Kamera (Alexis Kavyrchine), Special Effects, Musik, Besetzung. Dass die Belgierin Virginie Efira einer der besten Schauspielerinnen unserer Tage ist, wissen wir längst. Hier hat sie sich wieder einmal selbst übertroffen. Wie sie ihre Rolle zwischen grenzenloser Verzweiflung und todesmutigem Trotz anlegt, ist einfach genial. In manchen Szenen lernen wir sie sogar als Action-Heldin kennen. Regisseur Albert Dupontel ist bekennender Fan von Terry Gilliam – sein Film ist gespickt mit Anspielungen an „Brazil“. Und er gönnt seinem Kollegen eine kurze Gastrolle als zynischer Waffenhändler auf einem Tele-Shopping-Kanal.

WAS DEIN HERZ DIR SAGT – ADIEU IHR IDIOTEN! zeigt auf mitreißende, spektakuläre Weise eine Welt, die wir so nicht wollen. Filme dieser Art kennen wir sonst nur aus Hollywood. Doch dieses Werk kommt aus Frankreich. Chapeau!

P.S. Der Film hat nur einen Fehler. Der deutsche Verleihtitel ist schlichtweg dämlich! Dabei ist der Untertitel übrigens eine direkte Übersetzung des Originals „Adieu les cons!“ Warum nicht gleich so…

Trailer

ab16

Originaltitel

Adieu les cons (Frankreich 2020)

Länge

87 Minuten

Genre

Komödie

Regie

Albert Dupontel

Drehbuch

Albert Dupontel

Darsteller

Virginie Efira, Albert Dupontel, Nicolas Marié, Jackie Berroyer, Philippe Uchan, Bastien Ughetto, Marilou Aussiloux, Catherine Davenier

Verleih

Happy Entertainment (MT Trading UG)

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