The Whale

Autor: Michael Spangenberg

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Einst war Brendan Fraser der große Star des Blockbuster-Kinos. Nachdem Hollywood ihn viele Jahre scheinbar vergessen hatte, kehrt er nun mit einer eindrucksvollen und zutiefst menschlichen Darstellung in THE WHALE auf die große Leinwand zurück.

Charlie (Brendan Fraser) lebt zurückgezogen in seinem Haus. Dies hat er bereits seit Jahren nicht mehr verlassen, schließlich wiegt der ehemalige Literatur-Professor mehr als 270 Kilo – da ist selbst der kleinste Schritt mit Rollator unfassbar kräftezehrend. Seinen Unterhalt verdient er sich mittlerweile mit Online-Schreibkursen, bei denen er jedes Mal neue Ausreden erfindet, warum seine Webcam denn nun immer noch defekt sei.

Beinahe täglich schaut die Krankenschwester Liz (Hong Chau) bei ihm vorbei, die inzwischen zur guten Freundin geworden ist – und zum einzigen echten zwischenmenschlichen Kontakt. Charlie ist klar, dass er durch sein immenses Übergewicht nicht mehr lange zu leben hat, daher ist es sein größter Wunsch, sicherzustellen, dass seine Tochter (Sadie Sink) es einmal gut haben wird. Das einzige Problem: Er hat sie nicht mehr gesehen, seit er ihre Mutter vor acht Jahren für einen seiner Studenten verlassen hatte.

THE WHALE ist eine absolute Wucht. Als der Film bei den vergangenen Filmfestspielen in Venedig (wo er im Wettbewerb lief), gezeigt wurde, gab es stehende Ovationen für Brendan Fraser. Dieser war sichtlich den Tränen nah, hatte er eine solche Wertschätzung doch schon so lange nicht mehr erlebt. Um die Jahrtausendwende war er noch der gefeierte Action-Held und Filme wie „Die Mumie“ und deren Nachfolger absolute Kassenschlager. Doch dann wurde es langsam ruhiger. Ein schlechtes Händchen bei der Rollenauswahl, schon war der Mime in Hollywood so gut wie abgeschrieben. Er war zwar weiterhin fast ohne Pause tätig, aber seine Filme liefen eher unter dem Radar.

Dann kam Regisseur Darren Aronofsky um die Ecke und besetzte ihn in THE WHALE. Und Fraser lieferte ab. Und zwar sowas von! Er hätte hier die Möglichkeit gehabt, so viel mehr als notwendig in seine Performance zu legen, aber seine Darstellung im Fat-Suit ist absolut überzeugend. Zu keinem Zeitpunkt hat man als Zuschauer den Eindruck, hier sich würde sich jemand auf Krampf für einen Oscar ins Gespräch bringen. Zurückhaltend, ehrlich, empathisch – so in etwa könnte man Fraser hier bezeichnen. Er verleiht der Figur des Charlie ein zutiefst menschliches Antlitz, das noch lange nachhallt.

Natürlich könnte man dem Film jetzt vorwerfen, dass er genau auf die Tränendrüse abzielt. Aber ganz ehrlich: Wer bei THE WHALE keine feuchten Augen bekommt, der sollte sich mal über sein eigenes Empathie-Vermögen Gedanken machen. Brendan Fraser macht hier zumindest alles richtig. Und wenn sich ein Mensch so ehrlich über den Applaus im Kino freuen kann, wenn er so etwas nicht als selbstverständlich hinnimmt, dann verdient er diese Aufmerksamkeit um so mehr. Kein Wunder also, dass er letztendlich den Oscar für seine Performance erhalten hat. Was für ein Typ, was für ein Film!

Trailer