Tagebuch einer Pariser Affäre

23.03.2023

Eines haben die Franzosen uns voraus. In keinem Land der Welt wird auf der Leinwand so viel geredet wie in Frankreich. Doch einen so geschwätzigen Film wie TAGEBUCH EINER PARISER AFFÄRE von Emmanuel Mouret habe ich lange nicht gesehen. Es hätte ein wunderbarer, leichter und zärtlicher Film über die Kunst des Seitensprungs werden können – doch die beiden Protagonisten zerreden alles.

Die nicht mehr ganz jungen Charlotte (Sandrine Kiberlain) und Simon (Vincent Macaigne) hatten sich vor Wochen auf einer Party flüchtig kennengelernt – aber außer einem Kuss war nichts passiert. Jetzt haben sie sich in einer Pariser Bar zum ersten Date verabredet. Und die alleinerziehende Mutter fällt gleich mit der Tür ins Haus: „Ich will unbedingt mit dir schlafen!“ Der biedere und schüchterne verheiratete Familienvater ist zunächst geschockt. Von einer Affäre hatte zwar seit 20 Jahren geträumt, doch nie den Mut aufgebracht, seine Frau heimlich zu betrügen.

Charlotte ist von Anfang klar, was sie will: Sex ja, Leidenschaft ja, aber keine Liebe. Und schon in der ersten Nacht landen beide im Bett der unkonventionellen Frau. Simon ist fasziniert von ihr und genießt jede Sekunde. Und es bleibt nicht bei dem einen Mal. Die Intervalle zwischen den Treffen werden immer kürzer – mal bei ihr, mal bei ihm (wenn Frau und Kinder weg sind), in der Wohnung eines Freundes von Simon oder im Hotel. Sie treffen sich zu Spaziergängen im Park oder machen Ausflüge in die nähere Umgebung. Und sie haben sich immer etwas zu erzählen – vor allem im Bett „danach“.

Die Beziehung bekommt erste Risse, als beide spüren, dass womöglich Gefühle im Spiel sind. Sie werden mutig: Über eine Dating-App verabreden sie sich mit der jungen, schönen Louise (Georgia Scalliet) zu einer Ménage-à-trois. Auch Louise – obwohl verheiratet – sucht die Abwechslung. Das Unerwartete geschieht: Die beiden Frauen verlieben sich ineinander, und Simon hat das Nachsehen…

Der französische Altmeister Eric Rohmer hatte vor Jahren allen gezeigt, wie man aus einem dialoglastigen Film ein kleines Wunder machen kann. Diese Genialität geht Regisseur Emmanuel Mouret in TAGEBUCH EINER PARISER AFFÄRE leider völlig ab – sein Timing stimmt nie. Sobald Charlotte und Simon sich treffen, reden sie und reden und reden. Das kann bei einer Laufzeit von 101 Minuten doch sehr ermüdend sein.

Nur einmal gelingt Mouret eine brillante Sequenz: Nach dem Ende der Affäre zeigt er noch einmal alle Schauplätze der vielen Begegnungen – doch diesmal fehlen die Personen. Es ist alles menschenleer. Nach zwei Jahren sehen sich Charlotte und Simon zufällig wieder – vor einer Kinokasse. Und was läuft: Natürlich Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“.

Der Kameraarbeit von Laurent Desmet kann man eine gewisse Eleganz nicht absprechen. Doch um welchen Preis? Hier wurden zwei grandiose Schauspieler verheizt. Sorry!

Trailer

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Originaltitel

Chronique d'une liaison passagère (Frankreich 2022)

Länge

101 Minuten

Genre

Komödie / Drama

Regie

Emmanuel Mouret

Drehbuch

Pierre Giraud, Emmanuel Mouret

Darsteller

Sandrine Kiberlain, Vincent Macaigne, Georgia Scalliet, Maxence Tual, Stéphane Mercoyrol

Verleih

Neue Visionen Filmverleih GmbH

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