Gerade einmal SIEBEN TAGE Hafturlaub bekommt die iranische Menschenrechtsaktivistin Maryam, um sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Dabei stellt ihre Familie sie vor eine schwere Entscheidung…
Maryam (Vishka Asayesh) ist Menschenrechtsaktivistin und sitzt im berüchtigten Evin-Gefängnis von Teheran ein. Als ihr ein siebentägiger Hafturlaub gewährt wird, um sich medizinisch behandeln zu lassen, freut sich die Frau, ihre Mutter (Sima Seye) und ihren Bruder Nima (Sina Parvaneh) wiedersehen zu können. Doch die stellen sie unvermittelt vor die schwerste Entscheidung ihres Lebens: Heimlich hat Nima mit Maryams Ehemann Behnam (Majid Bakhtiari), der mit den beiden gemeinsamen Kindern Dena (Tanaz Molaei) und Alborz (Sam Vafa) im Exil in Hamburg lebt, ihre Flucht über das türkisch-iranische Grenzgebirge geplant. Doch Maryam ist unsicher: Soll sie mit ihrer Familie zusammen in die Freiheit flüchten oder ins Gefängnis zurückkehren, um weiter für Gleichberechtigung und Demokratie zu kämpfen?
Filmfest Hamburg, 29. September 2024: Der große Saal des Cinemaxx ist bis auf den letzten Platz gefüllt, darunter unglaublich viele Mitglieder der iranischen Gemeinde Hamburgs. Auch Regisseur Ali Samadi Ahadi ist sichtlich aufgeregt, denn in wenigen Minuten beginnt die Weltpremiere seines Films SIEBEN TAGE.
Das Drehbuch zu SIEBEN TAGE stammt von niemand Geringerem als Mohammad Rasoulof, der gerade erst mit seinem Film „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ für den Oscar als bester internationaler Film nominiert war. Aber da Rasoulof seinerzeit im Iran unter besonderer Beobachtung stand, konnte er den Film nicht selber umsetzen und bat seinen Freund Ali Samadi Ahadi darum. Nach kurzer Bedenkzeit erklärte sich dieser dazu bereit und begann sofort mit der Planung und Umsetzung. Da der größte Teil im Winter spielt, blieb ihm dafür nicht wirklich viel Zeit. Ganze fünf Monate vergingen von der Zusage bis zum fertigen Film, inklusive Finanzierung, Casting, Location-Scouting, Dreh, Schnitt, Tonbearbeitung und Musikproduktion. Wer weiß, wie lange eine Filmproduktion sonst dauert, wird vermutlich nur erstaunt mit dem Kopf schütteln, wie so etwas überhaupt möglich sein kann.
Auch für die Hauptdarstellerin Vishka Asayesh war der Dreh eine ganz besondere Erfahrung. Im Iran ist sie bereits seit längerem ein absoluter Superstar und hat in 33 Berufsjahren fast 50 Filme gedreht. Aber in SIEBEN TAGE stand sie das erste Mal ohne Kopftuch vor der Kamera. Nie durfte zuvor ihr Haaransatz, ihre Ohren oder ihr Hals zu sehen sein. Als sie in der ersten Szene, die gedreht wurde, mit ihren Fingern durch ihre Haare ging, fielen selbst hinter der Kamera die Tränen, wie mir Ali Samadi Ahadi im Interview (s.u.) verriet.
Natürlich war klar, dass SIEBEN TAGE nicht im Iran gedreht werden konnte. Das Team entschied sich für Georgien, da die Landschaft dort dem türkisch-iranischen Grenzgebiet sehr nahe kommt. Mit einer internationalen Crew filmte man innerhalb kürzester Zeit alle notwendigen Szenen, während ein anderes Team im Iran heimlich unter großem Risiko Aufnahmen der Proteste auf den Straßen Teherans drehte.
Herausgekommen ist ein Film, der auf vielerlei Ebenen beeindruckt. Selbst wenn man von der kurzen Vorbereitungs- und Drehzeit nichts weiß, überzeugt der Look des Films, aber auch die Geschichte an sich. Das Drehbuch von Rasoulof hat Ali Samadi Ahadi angepasst. Aber nicht, weil ein kompletter Dreh im Iran unmöglich war, sondern weil er den Film auch zu etwas eigenem machen wollte. Wichtig war ihm vor allem, das ursprünglich offene Ende des Drehbuchs zu einem geschlossenen zu machen. „Wenn das Ende offen ist, stellen die Zuschauer am Ende die Frage, wie sich die Protagonistin entschieden hat. Bei einem geschlossenen Ende hingegen stellt sich die Frage »Wie hätte ich mich entschieden«“, so Samadi Ahadi in unserem Gespräch.
Wie sich die Protagonistin Maryam im Film entscheidet, sollte niemanden überraschen, der die Geschichte von Narges Mohammadi kennt. 2016 wurde sie verhaftet und zu 16 Jahren Haft verurteilt. 2023 erhielt sie den Friedensnobelpreis und 2024 wurde sie für ein schwere Operation vorübergehend aus dem Gefängnis entlassen. Inzwischen wurde sie erfolgreich behandelt und zurück ins Gefängnis zitiert. Doch Mohammadi weigert sich: „Freiwillig gehe ich nicht zurück ins Gefängnis, da müsst Ihr mich schon abholen.“
Mohammad Rasoulof hat sich im vergangenen Jahr für den anderen Weg entschieden, ist aus dem Iran geflüchtet und lebt seitdem im Exil in Hamburg. Bei einer solchen Entscheidung gibt es jedoch kein „richtig“ oder „falsch“, so Samadi Ahadi in unserem Interview. „Für einen Filmemacher ist das sicherlich auch noch mal etwas anderes, als für eine Menschenrechtsaktivistin – die muss am Puls der Gesellschaft bleiben.“
Beim Filmfest Hamburg fällt am Ende der Premiere die Anspannung sichtlich von allen Beteiligten ab. Ein nicht enden wollender Applaus signalisiert, dass SIEBEN TAGE hier einen Nerv getroffen hat, vor allem bei den vielen Exil-Iranern im Saal. Ali Samadi Ahadi und seinem Team ist hier ein bewegender und zutiefst menschlicher Film gelungen. Als am Ende des Gesprächs eine junge Iranerin ins Mikrofon ruft: „Ihr wisst, wessen Geschichte hier erzählt wird. Lasst uns das nie vergessen!“, wird nochmal deutlich, warum sich Narges Mohammadi gegen eine Flucht aus dem Iran entschieden hat – und warum SIEBEN TAGE so wichtig ist.
Im Rahmen der Kinotour stand mir der Regisseur Ali Samadi Ahadi im Hamburger Abaton-Kino Rede und Antwort zu seinem Film SIEBEN TAGE. Wir sprachen über die Entstehung des Films, warum ihm der Drehbuchautor Mohammad Rasoulof die Regie anvertraut hat, aber auch über die Freiheitskämpferin Narges Mohammadi, auf deren Leben der Film basiert.
Seven Days (Deutschland 2024)
120 Minuten
Drama
Ali Samadi Ahadi
Mohammad Rasoulof
Mathias Neumann (BVK)
Vishka Asayesh, Majid Bakhtiari, Tanaz Molaei, Sam Vafa, Sina Parvaneh, Melika Forouta, Sima Seye, Zanyar Mohammadi
Little Dream Entertainment