Mission: Impossible – Dead Reckoning – Teil Eins

Autor: Jan-Barra Hentschel

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Über diesen atemberaubenden Stunt wird seit knapp zwei Jahren weltweit in den Medien berichtet. Am ersten Drehtag für MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING – TEIL EINS von Christopher McQuarrie, am 6. September 2020, lieferte Tom Cruise als Ethan Hunt die wohl spektakulärste Szene seiner Schauspielerkarriere ab. Todesmutig stürzte er sich mit seinem Motorrad von einer Klippe in den norwegischen Bergen, ließ das Motorrad fallen und öffnete erst 500 Meter über dem Boden den rettenden Paraglide-Schirm. Es klingt zynisch, aber man hatte ganz bewusst diese Sequenz an den Anfang der Dreharbeiten gesetzt – man wollte bei einem Unfall oder dem möglichen Ableben des Superstars die Kosten so gering wie möglich halten. Gott sei Dank hat Tom Cruise überlebt!

Seit Beginn seiner Karriere dreht Tom Cruise alle Stunts selbst – und schon deshalb lohnt sich der Besuch dieses sensationellen Action-Krachers. Das Agentenabenteuer ist unglaubliche 164 (!) Minuten lang – und man möchte als Kinofan keine einzige Sekunde missen. Regisseur Christopher McQuarrie schafft es, das irrwitzige Tempo ohne Durchhängen aufrecht zu erhalten, jede der vielen Verfolgungsjagden ist individuell choreografiert – und vor allem saukomisch inszeniert. Die hier gezeigte Ironie macht den besonderen Reiz dieses Films aus.

Was für fast jeden Agentenfilm gilt: Auch in MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING – TEIL EINS ist der Plot nur Nebensache. Eine geheimnisvolle Macht testet im russischen U-Boot „Sewastopol“ eine neue Form von künstlicher Intelligenz, genannt die „Entität“. Mit Hilfe eines dreidimensionalen Schlüssels, der die Bedrohung in Gang setzt, will man die Welt beherrschen. Aber das U-Boot säuft unter der arktischen Eisdecke ab – und nur wenige Menschen überleben. Doch wer hat den Schlüssel?

Gemeinsam mit seinem erfahrenen Team – dem Techniknerd Benji Dunn (Simon Pegg) und dem Computerexperten Luther Stickell (Ving Rhames) – sowie der mysteriösen Agentin Ilsa Faust (Rebecca Ferguson) macht sich Ethan Hunt (Tom Cruise) auf die Suche nach dem Schlüssel – quer durch (fast) alle Kontinente. Als Gegenspieler agieren die undurchsichtige White Widow (Vanessa Kirby) sowie die Gangster Gabriel (Esai Morales), Kittridge (Henry Czerny) und Briggs (Shea Whigham), die Ethan immer wieder in die Quere kommen. Zu allem Überfluss wird er ständig von der überdrehten Taschendiebin Grace (tolle Neuentdeckung: Hayley Atwell) belästigt, die er einfach nicht abschütteln kann. Für mich DIE Szene des Films: eine wahnsinnig komische Autoverfolgung in der Altstadt von Rom, bei der sich Ethan und Grace unentwegt kabbeln – in einem Fiat 500 (!).

Der Flughafen von Abu Dhabi, die antiken Stätten von Rom, die Kanäle und Brücken von Venedig – Schauwerte gibt es genug. Am Ende erfährt Ethan, dass der geheimnisvolle Schlüssel im Orient-Express auf der Strecke von Venedig nach Innsbruck übergeben werden soll. Zu dumm, dass die Gegend überhaupt nicht wie die Alpen aussieht. Denn hier erlauben sich Produzent Tom Cruise und Regisseur Christopher McQuarrie einen bizarren Schlenker: Dieses spektakuläre Finale im Zug und auf dem Zugdach wurde komplett in Norwegen gedreht. (Tom Cruise musste dafür für sich und sein Team sogar ein komplettes Kreuzfahrtschiff chartern, das während der Pandemie in einen Fjord ankerte.) Alpen oder Norwegen – so what?!

Mit MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING – TEIL EINS haben Tom Cruise und Christopher McQuarrie den Agenten- und Abenteuerfilm auf ein neues Niveau gehoben. Wir hatten in diesem Jahr schon „Fast & Furious 10“ sowie „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ in den Kinos bewundern dürfen – doch dieser unglaubliche Kracher schlägt alles bislang Gesehene. Und was das Tolle ist: Man sieht allen Beteiligten in jeder Szene die Spielfreude regelrecht an. Hier bilden Action und Ironie mit viel Augenzwinkern eine wunderbare Einheit. Hingehen!

P. S. Dass der Film am Schluss in der Luft hängen bleibt, können wir, glaub’ ich, verschmerzen. Aber offene Enden sind immer unschön. TEIL ZWEI folgt in einem Jahr. Sei’s drum!

Trailer