Ein großes Versprechen

09.06.2022

Ein Hamburger Ehepaar im Rentneralter und eine unheimliche Krankheit, die das Leben der beiden auf eine harte Probe stellt: Das ist kurz gefasst die Geschichte des Melodrams EIN GROSSES VERSPRECHEN, dem Spielfilm-Debüt von Wendla Nölle, die sich bislang als Dokumentarfilmerin einen Namen gemacht hatte.

Der gebürtige Schwede und Architektur-Professor Erik (Rolf Lassgård) wurde bei einer Feier seiner Universität soeben in den Ruhestand geschickt – was spricht gegen einen ruhigen Lebensabend? Doch seine Frau Juditha (Dagmar Manzel) leidet seit Jahren an Multipler Sklerose (MS), und die tückische Krankheit verschlimmert sich zusehends. Was für fast jeden MS-Patienten gilt: Auch Juditha kann und will ihre Krankheit nicht akzeptieren – keine Hilfe von außen, kein Arztbesuch, kein Pflegedienst, kein Rollstuhl. Und Erik steht hilflos daneben. Immerhin besorgt er ihr einen rollbaren Toilettenstuhl, denn der Gang zum Klo wird immer mühsamer. Einmal findet er sie bewegungsunfähig auf dem Boden im Badezimmer liegen. Und auch den Weg zum Schlafzimmer im ersten Stock (!) schafft Juditha nicht mehr ohne Hilfe. Eines Tages wird es Erik zu viel. Er zieht ins Hotel und besucht die gemeinsame Tochter in Malmö, die sich dort eine Karriere aufgebaut hat.

Diesen Weg in den Abgrund hat Wendla Nölle mit schonungsloser Offenheit sehr drastisch inszeniert, dass man manchmal gar nicht mehr hinschauen möchte. Die Regisseurin konnte aus eigener Erfahrung schöpfen, wie sie im Interview zugab: Ihre Mutter leidet an der gleichen Krankheit. Wohl für jeden (gesunden) Schauspieler gilt: Wie verkörpere ich eine schwer kranke Person? Und Dagmar Manzel meistert diese schier unmenschliche Aufgabe bravourös. In jeder ihrer Szenen leiden wir mit – auch wenn wir uns ständig fragen müssen: Warum ist diese Frau bloß so stur?

Filme über Krankheiten sind nicht jedermanns Sache – für viele Kinozuschauer ist das alles zu viel: Muss ich mir das wirklich antun? Doch Dagmar Manzels intensives Spiel und der lakonische Stil von Schwedens Superstar Rolf Lassgård schaffen eine Aura, die uns gebannt im Kinosessel sitzen lässt. Nölles Verdienst als Regisseurin ist es, die düstere Stimmung beizubehalten, ohne dass wir besondere Empathie für Juditha empfinden, denn diese Frau mag niemand. Das wehmütige Ende lässt übrigens vieles offen. Ein notwendiger Film!

P.S. Eine persönliche Anmerkung: In Gesprächen nach der Pressevorführung meinten einige: Ist so manche Szene vielleicht klischeehaft überzogen? Meine Erfahrung: Nein! Einer meiner engsten Freunde ist vor zwei Jahren an dieser Krankheit gestorben, und ich habe JEDE dieser schrecklichen Episoden des Films selbst erlebt. Genauso war es!

Trailer

ab12

Originaltitel

Ein großes Versprechen (Deutschland 2021)

Länge

89 Minuten

Genre

Drama

Regie

Wendla Nölle

Drehbuch

Greta Lorez

Darsteller

Dagmar Manzel, Rolf Lassgård, Wolfram Koch

Verleih

Filmperlen Filmverleih

Filmwebsite

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