Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

Gründer und Chefredakteur von nochnfilm.de. Fan der kleinen, aber äußerst feinen Filme. Zwischendurch darf es auch gerne mal ein Blockbuster sein. In allen Genres zu Hause, aber ständig auf der Suche nach dem nächsten Lieblingsfilm.

Ich mag diese Filme, in denen eine kleine, aber zutiefst menschliche Geschichte erzählt wird. So wie im wunderbaren Film DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY…

Das Leben von Harold Fry (Jim Broadbent) war nie spektakulär, eher unscheinbar, ja fast schon langweilig. Eines Tages erfährt er, dass seine alte Freundin Queenie (Linda Bassett) im Sterben liegt. Schnell schreibt er ihr einen letzten Brief, doch beim Gang zum Briefkasten merkt er, dass der Brief vielleicht nicht rechtzeitig ankommen wird – und er Queenie viel mehr schuldet, als nur ein paar geschriebene Zeilen. Also läuft er weiter. Und weiter. Und weiter. Ganze 450 Meilen sind es bis zum Hospiz, aber Harold kümmert es nicht, dass er dafür die völlig falschen Schuhe trägt. Auch seine Frau Maureen (Penelope Wilton) ist mehr als verwirrt über die plötzliche Pilgerreise ihres Mannes. Doch Harold läuft weiter. Und weiter. Und weiter. Und mit jedem Schritt befreit er sich von seinem bisherigen Leben und entdeckt die Wunder des Lebens. Aber wird er es rechtzeitig zu Queenie schaffen?

Ein wenig erinnerte mich der Film an einen anderen, der vor gar nicht allzu langer Zeit bei uns in den Kinos lief: „Der Engländer, der in den Bus stieg, und bis ans Ende der Welt fuhr“ mit Timothy Spall. Hier ist es jetzt Jim Broadbent, der sich spontan – allerdings zu Fuß – auf den Weg macht. Beide Filme schlagen einen ähnlichen Ton an, ohne dass man sich jedoch in einer Kopie des anderen wähnt. Klar, jeder normale Mensch hätte sich vor dem Losgehen vielleicht noch vernünftige Schuhe angezogen, aber was soll’s…

Als Zuschauer fragen wir uns natürlich, was diese Figur überhaupt dazu bewegt, so einfach loszulaufen. Und natürlich warum er die 450 Meilen zu Fuß zurücklegen will und nicht per Bus, wie Timothy Spall. Natürlich steht dahinter eine große Schuld, aber die werde ich hier natürlich keinesfalls erwähnen. Dazu sollte schon jeder sein eigenes Kinoticket lösen.

DIE UNWAHRSCHEINLICHE PILGERREISE DES HAROLD FRY ist ein wunderschönes Roadmovie, das uns am Wachsen einer Figur teilhaben lässt. Denn je mehr Schritte Harold Fry läuft, umso mehr fühlen und leider wir mit ihm. Und wünschen uns, dass es von dieser Sorte Mensch eigentlich viel mehr geben müsste…