Es gibt Filme, die geheimnisvoll beginnen und bei denen man lange nicht weiß, wohin sie driften. Das kann total schief gehen – oder so gut funktionieren wie hier. Das französische Melodram DIE MAGNETISCHEN von Vincent Maël Cardona ist ein Fest für Augen und Ohren – eine sehr präzise Zustandsbeschreibung der New Wave rund um 1980 aus der Sicht unserer westlichen Nachbarn.
In einer verschlafenen Kleinstadt in der französischen Provinz betreiben der charismatische Jerôme (Joseph Olivennes) und sein introvertierter jüngerer Bruder Philippe (Thimotée Robart) einen Piratensender: Jerôme ist der eloquente Mann am Mikrofon, Philippe der Stille an den Reglern. Als die Friseurin Marianne (Marie Colomb) mit ihrer kleinen Tochter in den Ort zieht, ist es um die Brüder geschehen: Beide verlieben sich in die Schöne.
Dummerweise wird Philippe eingezogen. Er muss seinen verhassten Militärdienst im französischen Sektor von West-Berlin absolvieren. Bei einem herrlich chaotischen Besuch beim britischen Sender BFBS, wobei er den ganzen Laden aufmischt (grandios!), gesteht er öffentlich Marianne seine Liebe. Er geht sogar so weit, zu desertieren, um sie wiederzusehen.
Den ganzen Film über hatte ich das Gefühl: Jetzt kommen bei den Berlin-Szenen Iggy Pop oder David Bowie ins Bild. Und genau mit dieser Erwartungshaltung spielt der Regisseur. Vincent Maël Cardona hat den Zeitgeist von damals sehr genau eingefangen. Musik und Bildstil bilden hier eine wunderbare Einheit. Und das Ende ist traurig – wie auch sonst! Ein kleiner Film, ein großer Film!
P.S. Ein Wort zum bizarren Titel: Gemeint sind natürlich die Magnetbänder im Studio – das digitale Radio war noch nicht erfunden worden.
Les Magnétiques (Frankreich / Deutschland 2021)
99 Minuten
Drama
Vincent Maël Cardona
Vincent Maël Cardona, Chloë Larouchi, Maël Le Garrec, Rose Philippon, Catherine Paillé, Romain Compingt
Thimotée Robart, Marie Colomb, Joseph Olivennes, Fabrice Adde, Louise Anselme, Younès Boucif, Maxence Tual, Judith Zins, Philippe Frécon, Antoine Pelletier, Saadia Bentaieb, Brian Powell
Port au Prince Pictures GmbH