Der perfekte Chef

28.07.2022

Seine absurde Tragikomödie „A Perfect Day“ über den Irrsinn im Balkankrieg war nicht nur für mich einer der besten Filme von 2015. Der spanische Regisseur Fernando León de Aranoa bringt jetzt mit DER PERFEKTE CHEF eine bitterböse Satire aus seinem Heimatland ins Kino – mit einem der wohl größten Filmstars unserer Tage in der Hauptrolle: Oscar-Preisträger Javier Bardem. Auf den ersten Blick mag das Thema nicht besonders interessant sein, denn es geht um den Besitzer einer Fabrik von Industriewaagen.

Julio Blanco (Javier Bardem) scheint der perfekte Chef zu sein. Als Inhaber eines traditionsreichen Familienunternehmens kümmert er sich um alles. Charismatisch und fürsorglich hat er jederzeit ein Ohr für seine Mitarbeiter. Passend zum Produkt der Firma glaubt er – ein Boss alter Schule – noch an Gleichgewicht und Gerechtigkeit. (Die aufdringliche Symbolik ist hier durchaus Absicht!) Blanco hat in den Jahren Reichtum angehäuft und Preise eingesammelt. Doch einer fehlt ihm noch: der Preis für exzellente Unternehmensführung, den die Regierung vergibt. In diesem Jahr ist die Firma endlich einer von drei Kandidaten im Finale – und das Auswahl-Komitee wird täglich erwartet, natürlich unangekündigt.

Aber die scheinbar so perfekte Fassade beginnt langsam zu bröckeln. Offenbar wegen ständiger Eheprobleme macht der Produktionsleiter Miralles (Manolo Solo) einen Fehler nach dem anderen, sehr zum Schaden der Firma. Der arabischstämmige Logistik-Chef Khaled (Tarik Rmili) beweist jeden Tag, dass er der bessere Mann auf Miralles’ Posten ist. Und die neue, blutjunge Praktikantin Liliana (Almudena Amor) macht Blanco schöne Augen. Dessen größtes Problem ist jedoch der aufmüpfige José (Oscar de la Fuente). Er musste den Querulanten notgedrungen entlassen. Der hat nichts besseres im Sinn, als direkt gegenüber dem Firmeneingang ein Protestcamp zu errichten – er müsse schließlich seine Ex-Frau und zwei kleine Kinder ernähren und verlange Wiedereinstellung. Zu dumm, dass die Polizei nicht einschreiten kann: José kampiert auf einem Gelände, das niemandem gehört. Da muss wohl Blanco selbst Initiative ergreifen.

Diese Farce könnte in jedem Land der Erde spielen. Regisseur Fernando León de Aranoa und seinem Hauptdarsteller gelingt es auf erstaunliche Weise, mit unmerklichen Andeutungen aus einer Komödie eine Tragödie zu machen. Wie Javier Bardem es schafft, seinen jovialen, immer freundlichen Boss ganz allmählich in ein Monster zu verwandeln, das sogar vor Gewalt nicht zurückschreckt, ist große Schauspielkunst. Doch eines stört mich: Die vielen Probleme wirken wie auf dem Reißbrett entworfen – da gibt es kaum Überraschungen. Und diese mit 120 Minuten etwas zu lang geratene Satire hat leider zwischendurch quälende Episoden. Das kann nerven – und das bei diesem Thema: Industriewaagen!

Trailer

ab12

Originaltitel

El buen patrón (Spanien 2021)

Länge

115 Minuten

Genre

Komödie

Regie

Fernando León de Aranoa

Drehbuch

Fernando León de Aranoa

Darsteller

Javier Bardem, Manolo Solo, Almudena Amor, Óscar de la Fuente, Sonia Almarcha, Fernando Albizu, Tarik Rmili, Rafa Castejón, Celso Bugallo, Martín Páez, Yaël Belicha, Mara Guil, Nao Albet, María de Nati

Verleih

Alamode Filmdistribution OHG

Filmwebsite

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