15 Jahre

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Im Jahr 2007 hatte Regisseur Chris Kraus uns alle überrascht: Sein packendes Gefängnisdrama „Vier Minuten“ war damals schon allein wegen seines verblüffenden Schlusses einer der besten deutschen Filme des Jahres. Jetzt haben Chris Kraus und seine Hauptdarstellerin Hannah Herzsprung die Geschichte weiter gesponnen. 15 JAHRE erzählt das Leben von Jenny von Loeben, dem ehemaligen Klavier-Wunderkind, nach ihrer Entlassung.

Nach 15 Jahren Haft wegen eines Mordes, den sie nicht begangen hatte, kommt Jenny (Hannah Herzsprung) frei. Ihr damaliger Freund, der eigentliche Täter, wurde wegen der raffinierten Winkelzüge seines Anwalts, nie verurteilt. Jetzt verspürt Jenny nur noch Hass und grenzenlose Rache. Doch das Gericht verbietet ihr, Kontakt zu ihrem Exfreund, der inzwischen unter falschem Namen lebt, aufzunehmen.

Jenny findet Unterschlupf in einer von der resoluten Frau Markowski (Adele Neuhauser) geleiteten christlichen Sekte, wo sie in einer Putzkolonne eingesetzt wird. Bei der Reinigung der örtlichen Musikhochschule platzt sie in die Unterrichtsstunde ihres ehemaligen Kollegen Harry Mangold (Christian Friedel), der sie sofort wiedererkennt. Kurzentschlossen und mit grimmiger Wut setzt sie sich an den Flügel, um zu beweisen, dass sie Schubert immer noch besser spielt als seine stümperhafte Schülerin – und das mit ihren blauen Plastik-Handschuhen. Eine tolle Szene!

Harry lädt sie zu sich nach Hause ein, wo sie seine Frau Dorothea (Katharina Schüttler) und den syrischen Flüchtling Omar Annan (Hassan Akkouch) kennenlernt. Als der ehemalige Pianist in den Ruinen von Aleppo ein spontanes Straßenkonzert gab, wurde ihm vor laufender Kamera von der IS der rechte Arm abgehackt. Inzwischen versucht sich Omar als Komponist arabischer Lieder. Harry schlägt vor, dass sich Jenny und Omar in einer TV-Talentshow speziell für Behinderte bewerben sollten. 15 Jahre Haft reichen ja wohl für eine psychische Behinderung. Star der Show ist der Dieter-Bohlen-Verschnitt Gimmiemore (Albrecht Schuch). Als Jenny dessen Foto auf einer Titelseite sieht, trifft sie der Schlag: Es ist ihr Exfreund! So beginnt ein Kampf auf Leben und Tod…

15 JAHRE ist reinste Kolportage. Regisseur Chris Kraus, der auch das Drehbuch schrieb, lässt hier wahrlich nichts aus: das Christentum und seine Schattenseiten, Flüchtlingsdramen, die Brutalität des IS, die unsäglichen TV-Talentshows, vermeintliche Selbstjustiz und der angebliche Glaube, dass klassische Musik uns allen helfen kann. Das ist alles unterste Schublade!

Man spürt, dass einer unser besten Schauspieler – Albrecht Schuch – seinen Spaß daran hatte, seine eigene Dieter-Bohlen-Version zu präsentieren. Und die geniale Hannah Herzsprung spielt mit ihrem Riesentalent alle an die Wand. Doch um welchen Preis?

Das Beste kommt zum Schluss: 15 JAHRE ist unfassbare 144 (!) Minuten lang. Nein, danke!