Der Film der Woche

X

19.05.2022

1974 kam einer der blutigsten und gewalttätigsten Horrorfilme aller Zeiten in die Kinos: „The Texas Chain Saw Massacre“ („Blutgericht in Texas“) von Tobe Hooper. Mehrere junge Leute landen durch Zufall auf einer abgelegenen Farm und werden von einer Horde kannibalischer und degenerierter Hinterwäldler gnadenlos abgeschlachtet. Im Zentrum: „Leatherface“ mit seiner berüchtigten Kettensäge. Der mit wenig Geld und unbekannten Schauspielern gedrehte Film stand jahrelang auf dem Index – inzwischen ist er längst Kult.

Diesen extremen Film sollte man im Hinterkopf haben, um die Genialität von X zu erfassen. Regisseur Ti West spielt hier unglaublich raffiniert mit der Geschichte des Horrorfilms, dass es eine wahre Freude ist – trotz der gezeigten Gräuel. Und natürlich spielt auch X in Texas (obwohl der komplette Film in Neuseeland gedreht wurde).

1979: Es ist gerade mal sieben Jahre her, dass in den USA Porno-Filme legalisiert wurden – „Deep Throat“ hatte den Anfang gemacht. Und so reisen Regisseur und Kameramann RJ (Owen Campbell), seine Tontechnikerin und Freundin Lorraine (Jenna Ortega) und sein Produzent Wayne (Martin Henderson) ins ländliche Texas. Bei einem uralten Farmer-Ehepaar haben sie ein Nebengebäude gemietet, um endlich selbst einen Porno-Film zu drehen. Die Stars: der ständig „bereite“ Jackson (Scott Mescudi) und die „willigen“ Schönen Bobby Lynne (Brittany Snow) und Maxine (Mia Goth), nebenbei Waynes Freundin.

Die Dreharbeiten laufen locker an. Doch wer explizite Szenen erwartet, wird enttäuscht werden: ein bisschen nackte Haut, aber das war’s auch schon. Nur die beiden Alten, Howard (Stephen Ure) und Pearl (nicht zu erkennen: auch Mia Goth), machen Ärger. Ihnen passt es nicht, was im Nebengebäude vor sich geht. Und allmählich beginnt das Grauen. Dabei spielt auch ein ziemlich aktiver Alligator im nahen Teich eine wichtige Rolle.

Was folgt, ist ein Blutbad ohne Ende. Ti West nutzt alle Möglichkeiten, Spannung zu erzeugen und die Gräueltaten genüsslich zu inszenieren. Hier versteht ein Regisseur sein Handwerk: Er lässt wirklich nichts aus! Wer diese harte Kost nicht ertragen kann, sollte zu Hause bleiben. Alle anderen werden ihren Spass haben. Ein Trost: Es ist „nur“ Kino! Doch auch für mich war eine Szene grenzwertig: Die beiden Alten beim Sex zu erleben – das war kaum zu ertragen.

Der Look von X ist atemberaubend. Genauso sahen damals die Filme aus: grelle Farben, schmuddelig und billig gedreht, bewusstes Overacting der Schauspieler. Mit X hat Ti West eine scheinbar vergangene Epoche wieder aufleben lassen. Hier hat ein Regisseur die Filmgeschichte verstanden. Bravo! Doch wem das egal ist, wird trotzdem ins Kino gehen. Auch die junge Horrorfilm-Generation wird X lieben und die Tötungsszenen grölend kommentieren. Dieser Film ist für alle da! Aber der Titel ist eine Mogelpackung: X bezeichnet Kino für Erwachsene. Doch X ist kein Sex-Film, sondern „nur“ ein Horrorfilm. Ein sehr blutiger! Und ein sehr grandioser!

ab16

Originaltitel

X (USA 2022)

Länge

106 Minuten

Genre

Horror

Regie

Ti West

Drehbuch

Ti West

Darsteller

Mia Goth, Jenna Ortega, Brittany Snow, Scott Mescudi, Martin Henderson, Owen Campbell, Stephen Ure, James Gaylyn, Matthew Saville

Verleih

Capelight Pictures Gerlach Selms GbR

Filmwebsite

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