Wolke unterm Dach

Mit elf Jahren im Hamburger „Savoy“ bei „Ben Hur“ die Liebe zum Kino entdeckt. Dann kam mit „Blow Up“ und „Belle de Jour“ der „Arthouse-Film“ dazu. Seit 1989 ständiger Filmjournalist für diverse Medien. Jetzt fühlt er sich hier bestens aufgehoben.

Wie geht man mit Tod und Trauer um? Wann ist die Zeit gekommen, endlich loszulassen? In seinem herzzerreißenden Melodram WOLKE UNTERM DACH zeigt uns der Schweizer Regisseur Alain Gsponer den schwierigen Weg von Vater und Tochter nach dem plötzlichen Tod der geliebten Ehefrau und Mutter. Sein atmosphärisch dichter Film findet immer die richtige Stimmungslage – er ist melancholisch, warmherzig und voller poetischer Bilder. Diese Art Kino kann leicht zum Kitsch ausarten, doch der Regisseur umschifft die Gefahr mühelos.

Bei einem Auslandseinsatz in Kolumbien lernt der Krankenpfleger Paul (Frederick Lau) während eines Inlandfluges voller Turbulenzen die abenteuerlustige deutsche Flugbegleiterin Julia (Hannah Herzsprung) näher kennen. Zurück in der Heimat heiraten sie stilvoll auf einem Berggipfel in den bayerischen Alpen und kaufen in München eine heruntergekommene alte Villa auf Kredit. Mit der Geburt von Tochter Lilly (sensationelles Filmdebüt: Romy Schroeder) ist das Glück vollkommen.

Doch nach Jahren unbeschwerten Lebens stirbt Julia bei einem Crosslauf an einem Aneurysma. Paul macht sich bittere Vorwürfe, dass das Paar kurz zuvor einen heftigen Streit hatte, als Julia das für eine Handwerkerrechnung gedachte Geld für heimliche Flugstunden ausgegeben hatte. In seiner hilflosen Trauer will Paul für seine Tochter, inzwischen ein junges Mädchen im Grundschulalter, gleichzeitig Vater und Mutter sein – aber die privaten und finanziellen Probleme wachsen ihm über den Kopf. Er lässt sich in seinem Krankenhaus als Stationsleiter einstellen, um die Schulden abzahlen zu können, trifft aber bei der Arbeit ständig falsche Entscheidungen und legt sich mit der neuen Oberärztin Nora (Nicolette Krebitz) an, die ihm eine Auszeit nahelegt. Nur sein Freund und Kollege Malik (Kida Khodr Ramadan) und seine Schwiegermutter (Barbara Auer) halten zu ihm.

In ihrer Verzweiflung flüchtet Lilly auf den Dachboden, wo sie die geliebten großformatigen Wolkenfotos ihrer Mutter wiederfindet, die ihr Vater entnervt aus dem Wohnbereich verbannt hatte. Und nicht nur das: In ihrer Fantasiewelt glaubt sie, hier oben ihre Mutter zu treffen – als kleine Wolke, die sich in einen Menschen verwandeln kann. (Das ist tricktechnisch ziemlich elegant gelöst.) Der wegen Schlafstörungen ständig unter Drogen stehende Paul steht den bizarren Geschichten seiner Tochter sprachlos gegenüber. Und als seine Schwiegermutter einen Pfarrer zurate zieht, rastet er völlig aus. Mit Gott hat er nichts am Hut!

Am Ende finden Vater und Tochter eine Lösung: Sie darf sich alles wünschen, was sie will. Und auch die drohende Zwangsvollstreckung kann verhindert werden. In einem rührenden Schlussmonolog sagt Julia ihrer Tochter auf den Dachboden: „Lass mich los – aber vergiss mich nicht.“ Die finale Szene zeigt uns Vater und Tochter in einem Kleinflugzeug, und der Pilot erlaubt Lilly, den Steuerknüppel zu halten. Sie fliegen über den Wolken (immerhin ohne Reinhard Mey!).

Das Ende ist auch mir eine Spur zu pathetisch. Doch bis dahin hat Alain Gsponer einen wichtigen Film über ein ernstes Thema gedreht – ein Melodram, dass stilsicher zwischen Würde und Humor pendelt. Nach einer Vorlage von Chris Silber, der eigene Erfahrungen verarbeitete, hat Dirk Ahner ein schlüssiges Drehbuch geschrieben, das alle Facetten berücksichtigt. So ein Thema kann leicht didaktisch wirken – dieser Film ist es nicht. Der vor allem für seine Klamauk-Rollen bekannte Frederick Lau zeigt hier, was in ihm steckt: ein Charakter-Darsteller. Und Hannah Herzsprung meistert ihre (scheinbar kleine und heikle) Rolle als Mutter, die nur in der Fantasie ihrer Tochter weiterlebt, mit Bravour. Die Neuentdeckung Romy Schroeder ist sowieso eine Wucht. Der deutschsprachige Film hat es zur Zeit nicht leicht, aber WOLKE UNTERM DACH lohnt einen Kinobesuch!

Verlosung

Gemeinsam mit Warner Bros. Germany verlosen wir 3×2 Freikarten für den Film, einlösbar überall in Deutschland, wo der Film gezeigt wird. Der Rechtsweg ist wie immer ausgeschlossen. Die Gewinner werden im Anschluss an die Verlosung gezogen und per E-Mail benachrichtigt. Teilnahmeschluss ist der 04.05.2022 um 23:59 Uhr. Alle Daten werden gemäß unserer Datenschutzerklärung ausschließlich zur Benachrichtigung der Gewinner genutzt, zu keinem Zeitpunkt an Dritte weitergegeben und im Anschluss an die Verlosung gelöscht. Wir wünschen viel Glück!