Downton Abbey 2: Eine neue Ära

28.04.2022

Eines vorweg: Ich habe leider keine einzige Folge der Erfolgsserie „Downton Abbey“ gesehen, und die erste Verfilmung für das Kino vor drei Jahren fand ich eher zäh und langweilig. Zudem hatte ich verständlicherweise Probleme mit der Zuordnung der Personen: Who’s who im britischen Adel? So waren meine Erwartungen für DOWNTON ABBEY II: EINE NEUE ÄRA nicht allzu hochgeschraubt. Doch der Film hat mich positiv überrascht – auf der ganzen Linie!

Seit er für Robert Altman zu dessen sehr britischem Meisterwerk „Gosford Park“ das Drehbuch geschrieben hatte, fühlt sich Julian Fellowes im englischen Adel zu Hause. Die komplette Erfolgsserie und die erste Kinoverfilmung von „Downton Abbey“ – all das stammt aus der Feder von Starautor Fellowes. Hier hat ein Mann sein Thema gefunden. Und mit DOWNTON ABBEY II: EINE NEUE ÄRA liefert er jetzt sein Meisterstück ab, das Regisseur Simon Curtis kongenial umgesetzt hat. Das grandiose Drehbuch vereint alles, was großes Kino ausmacht. Der Film beginnt mit einer prunkvollen Hochzeit und endet (neun Monate später) mit einer Geburt. Und dazwischen das pralle Leben mit allen Höhen und Tiefen zwischen Glück und Trauer. Das mit den „Höhen und Tiefen“ ist fast wörtlich zu nehmen: Oben im schlossartigen Anwesen Downton Abbey lebt der Adel, unten ist die Welt der Angestellten.

Zu Beginn, wir sind im Jahr 1928, heiratet die adlige Lucy (Tuppence Middleton) nicht sehr standesgemäß den ehemaligen Schlossangestellten Tom Branson (Allen Leech). Während ihrer Hochzeitsreise erhält die Grand Dame der Familie, Violet Grantham (Maggie Smith), die inzwischen wieder in Downton residiert, eine bizarre Information ihres Anwalts: Einer ihrer früheren Verehrer, der Marquis de Montmirail, hat ihr eine seiner Villen an der Côte d’Azur vererbt. Sie will das Haus dem ärmsten Ast ihres Stammbaums vermachen, Sybbie, der Tochter von Tom Branson. Ihr Sohn Lord Robert Grantham (Hugh Bonneville) und seine Frau Cora (Elizabeth McGovern) sind zunächst empört, aber da Roberts Tochter, die energische Lady Mary (Michelle Dockery), inzwischen das Sagen auf Downton Abbey hat, ist die Sache geklärt. So reist Lord Robert samt Entourage nach Südfrankreich, um die Villa zu begutachten. An seiner Seite der ehemalige Butler Mr. Carson (Jim Carter), der ihm dabei eine große Hilfe ist. Sie treffen auf den freundlichen Sohn des Marquis’ und dessen störrische Mutter (Nathalie Baye).

Währenddessen erhält Lady Mary im heimischen England ein ungewöhnliches Angebot. Der britische Regisseur Jack Barber (Hugh Dancy) bietet ihr an, seinen neuen Stummfilm „Der Glücksspieler“ gegen gutes Geld auf Downton Abbey zu drehen. Da der Dachstuhl des riesigen Gebäudes total marode ist, akzeptiert sie. Und so überfällt eine Horde Filmschaffender das Schloss, um alles durcheinander zu bringen. Nur die Angestellten sind hin und weg: Filmstars in unserem Haus! Mittendrin die platinblonde Schönheit Myrna Dalgleish (Laura Haddock), die europäische Variante von Jean Harlow, und der Hollywood-Draufgänger Guy Dexter (Dominic West).

Jetzt folgt für mich der Höhepunkt des Films: Während der Dreharbeiten dreht die Produktionsfirma Jack Barber den Geldhahn zu. Er soll einen Tonfilm drehen – wir sind mitten im Umbruch zwischen Stumm- und Tonfilm. Als schon fast alle nach Hause geschickt worden sind, kommt Lady Mary eine geniale Idee: Da Dorfschullehrer Mr. Molesley (Kevin Doyle) Lippen lesen kann, ist es möglich, die Stummfilm-Szenen nach zu vertonen. Zu dumm, dass Myrna Dalgleish eine piepsige Stimme und einen grauenvollen Akzent hat. (So ging es damals vielen Schauspielern. Berühmtestes Beispiel: Stummfilmstar Louise Brooks, „Die Büchse der Pandora“, die danach nur noch einen (!) Tonfilm drehte.) Und so übernimmt Lady Mary die Sprechrolle – mit sensationellem Erfolg.

Das Tolle an dem Film: Er ist voller kleiner Episoden, die es alle wert sind, erwähnt zu werden. Doch dazu fehlt hier der Platz. Diese Szenen darf jeder selbst entdecken. Viel Spaß! Nur noch eines: Während der Dreharbeiten knüpft Guy Dexter zarte Bande mit dem Butler Thomas Barrow (Robert James-Collier), als beide merken, ähnlich veranlagt zu sein. Und das im spießigen England 1928!

Julien Fellowes und Simon Curtis haben es verstanden, eine ferne Welt wieder auferstehen zu lassen – an ihrer Seite Andrew Dunn mit atemberaubenden, wunderschönen Bildern von Ende einer aussterbenden Zeit. DOWNTON ABBEY II: EINE NEUE ÄRA ist der Mikrokosmos einer Epoche, die für viele vergangen ist. Nur nicht in Great Britain. Man denke nur an die vielen Prunkhochzeiten und an das Begräbnis von Princess Diana. Dieses Land braucht das! Vor kurzem ist Queen Elizabeth II. 96 Jahre alt geworden. Möge sie noch lange leben!

P.S. Den Film gab es wirklich! 1929 hatte ein britischer Regisseur einen Stummfilm begonnen. Mitten während der Dreharbeiten erhielt er von seiner Produktionsfirma den Auftrag, daraus einen Tonfilm zu drehen. Seine extremen Probleme sind hier mustergültig umgesetzt. Auch seine Hauptdarstellerin hatte Schwierigkeiten mit dem ungewohnten Ton. Ihr Name: Anny Ondra, die Frau von Max Schmeling. Der Titel des Films: „Blackmail“ (auf Deutsch: „Erpressung“). Der Regisseur: Alfred Hitchcock. Es passt alles!

Trailer

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Originaltitel

Downton Abbey 2: A New Era (Großbritannien 2022)

Länge

126 Minuten

Genre

Drama / Historie

Regie

Simon Curtis

Drehbuch

Julian Fellowes

Darsteller

Hugh Bonneville, Laura Carmichael, Jim Carter, Brendan Coyle, Michelle Dockery, Kevin Doyle, Joanne Froggatt, Matthew Goode, Harry Hadden-Paton, David Haig, Geraldine James, Robert James-Collier, Simon Jones, Allen Leech, Phyllis Logan, Elizabeth McGovern, Sophie McShera, Tuppence Middleton, Stephen Campbell Moore, Lesley Nicol, Kate Phillips, Maggie Smith, Imelda Staunton, Penelope Wilton, Hugh Dancy, Laura Haddock, Nathalie Baye, Dominic West

Verleih

Universal Pictures International Germany GmbH

Filmwebsite

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