Der Film der Woche

Vergiss Meyn nicht

21.09.2023

Am 19. September 2019 verunglückte der Journalist und Aktivist Steffen Meyn bei der Räumung des besetzten Hambacher Forstes. Mit VERGISS MEYN NICHT setzen ihm nun seine Freunde und Regisseure Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff ein Denkmal.

Eigentlich müsste der Hambacher Forst längst Geschichte sein. Trotz der Besetzung durch Aktivisten sollte dieser Wald dem Braunkohletagebau weichen. Über einen längeren Zeitraum lieferten sich hier Umweltschützer und Polizisten ein Katz-und-Maus-Spiel und verzögerten so die weitere Zerstörung der Umwelt durch den Stromkonzern RWE.

Als Steffen Meyn sich in den Hambacher Forst begab, war schnell klar, dass er hier auch filmen würde. Dazu besorgte er sich eine 360-Grad-Kamera, die er auf einem Helm befestigte. Immer wieder holte er sich das Einverständnis der dort lebenden Umweltschützer, die sich in luftiger Höhe eine eigene Welt geschaffen hatten. Am siebten Tag der Räumung geschieht jedoch das Unfassbare: Steffen Meyn stürzt – ausgelöst durch einen Fehltritt – in die Tiefe und erliegt seinen Verletzungen.

Lange Zeit war nicht klar, wie seine Freunde mit Steffens Tod umgehen würden. Irgendwann entschlossen sich Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff jedoch, aus den vielen Stunden Material, die Steffen Meyn hinterlassen hatten, eine Dokumentation zusammenzustellen. Dabei grenzt es fast an ein Wunder, dass es ihnen gelungen ist, die allerwichtigste Aufnahme wieder in ihren Besitz zu bringen – die von Steffens Sturz. Seine Kamera wurde nämlich umgehend von der Polizei konfisziert und einbehalten.

VERGISS MEYN NICHT liefert uns einen eindrucksvollen Blick in das Leben der Aktivisten im Hambacher Forst. Es ist wahrlich nicht von der Hand zu weisen, welchen Gefahren sich diese jungen Menschen ausgesetzt haben, um für diese wichtige Sache zu kämpfen.

Um den Kritikern dieser Aktion gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Der Film beschäftigt sich in Interviews mit den Umweltschützern auch der Frage, wie weit Aktivismus überhaupt gehen darf. Dass es darauf kein eindeutige Antwort gibt, dürfte sich von selbst erklären. Es zeigt aber auch, warum die Politik niemals ein gemeinsames Statement der Waldbewohner erwarten durfte. Es vereinte sie zwar alle dasselbe Ziel, die Mittel und die Bereitschaft dazu schwankte jedoch gewaltig.

Ich hätte mir an mancher Stelle ein wenig mehr den Blick auf die andere Seite des Konflikts gewünscht. Zwar kommen hier und dort einige Polizisten zu Wort, das reicht aber nicht für einen gewichteten Gegenpol. Und wenn am Ende die Einblendung folgt, dass der Hambacher Forst auch fünf Jahre später immer noch steht, dann ist das zwar ein interessante Nachricht, es fehlt mir aber ganz grundlegend das Warum. Warum ist eine Rodung bislang nicht erfolgt? Ist der Tod von Steffen Meyn dafür verantwortlich? Oder gibt es andere Gründe?

VERGISS MEYN NICHT bietet uns Zuschauern aber dennoch einen Einblick in eine Welt, auf den die meisten von uns nur den Blick von außen kennen. Und wer weiß, vielleicht hilft es dem einen oder der anderen ja irgendwie, diese Menschen, die ihr eigenes Leben für eine lebenswerte Zukunft aufs Spiel setzen, ein wenig besser zu verstehen. Die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt.

Trailer

Im Rahmen der Berichterstattung
ab12

Originaltitel

Vergiss Meyn nicht (Deutschland 2023)

Länge

102 Minuten

Genre

Dokumentation

Regie

Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff

Drehbuch

Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff

Verleih

W-film Distribution

Filmwebsite

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