Mit TRIANGLE OF SADNESS hält Regisseur Ruben Östlund erneut der Gesellschaft einen Spiegel vor. Nach der Kunstszene muss nun die Mode- und Modelszene daran glauben…
Mit perfekt inszenierten Instagram-Posts nehmen die beiden Models Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean) ihre Follower mit in die scheinbar perfekte Mode-Welt. Als das Paar die Einladung zu einer Luxuskreuzfahrt annimmt, treffen sie an Bord der Megayacht auf russische Oligarchen, skandinavische IT-Millionäre, britische Waffenhändler, gelangweilte Ehefrauen und einen Kapitän (Woody Harrelson), der im Alkoholrausch Marx zitiert. Als während des Captain’s Dinner ein Sturm aufzieht, kommt es zur Katastrophe und die Yacht kentert. Plötzlich finden sich die beiden mitsamt einer Gruppe von Milliardären auf einer einsamen Insel wieder. Allerdings wird durch das Unglück die Hierarchie auf den Kopf gestellt, denn die mit ihnen gestrandete Reinigungskraft ist die Einzige, die Feuer machen und fischen kann…
In TRIANGLE OF SADNESS folgt Östlund noch mehr seinem Zwang, gewisse Themen so lange auszubreiten, bis es unangenehm wird. Ob es sich um eine Diskussion der beiden Protagonisten handelt, bei der es darum geht, wer im Restaurant die Rechnung zahlt, oder darum, ob ein Kreuzfahrt-Gast einer Angestellten befehlen kann, in den Pool zu steigen. Immer dann, wenn andere Regisseure die Szene verlassen würden, bleibt Östlund mit der Kamera dran. Er lässt nicht locker, bis es auch für den Zuschauer unangenehm wird. Dadurch bleibt die Thematik aber überdeutlich im Gedächtnis.
Nach den ersten Vorführungen beim Filmfestival in Cannes machten Gerüchte die Runde, der Film wäre – milde gesagt – stellenweise nicht wirklich schön anzusehen. Das mag in erster Linie an der Szene des Captain’s Dinner liegen, in der Östlund es sichtlich auslebt, die mangelnde Seetüchtigkeit seiner Passagiere zu verdeutlichen. Normalerweise bin ich überhaupt kein Freund davon, wenn der Fäkalhumor ausgepackt wird, aber in diesem Fall – ich würde es als Arthouse-Kotzen bezeichnen – trifft Östlund damit den Nagel auf den Punkt. Es gibt halt Dinge, vor denen kann Dich kein Geld der Welt beschützen.
Im dritten Teil seines Films dreht der Regisseur, der auch das Drehbuch geschrieben hat, dann den Spieß um. Auf der einsamen Insel ist plötzlich die Reinigungskraft die wichtigste Person, denn nur sie ist in der Lage, Feuer zu machen und zu fischen. Aber auch hier stoßen wir auf ein gesellschaftliches Dilemma: Macht korrumpiert.
Auf die Idee zum Film ist Östlund übrigens durch seine Frau gekommen, die als Modefotografin arbeitet. Ihn interessiert der Blick auf Schönheit als Währung. Und wer einmal wissen möchte, was der Titel TRIANGLE OF SADNESS bedeutet, dem sei das nachfolgende Interview ans Herz gelegt, das ich beim Filmfest Hamburg mit Ruben Östlund führen durfte.
Mit TRIANGLE OF SADNESS ist Ruben Östlund erneut ein Meisterwerk gelungen, auf das man sich jedoch einlassen muss. Wem seine bisherigen Filme „The Square“ oder „Höhere Gewalt“ nicht gefallen haben, der dürfte auch hier leer ausgehen. Alle anderen dürfen sich auf einen schonungslosen Blick auf diejenigen Mitglieder unserer Gesellschaft freuen, die glauben, sich mit Geld aus allen Situationen befreien zu können.
Einen kleinen bitteren Beigeschmack hat TRIANGLE OF SADNESS aber noch: Die Schauspielerin Charlbi Dean, die in der Rolle der Yaya zu sehen ist, starb am 28. August 2022 mit nur 32 Jahren an einer viralen Lungeninfektion.
Im Rahmen des Filmfest Hamburg hatte ich die Gelegenheit, mit Autor und Regisseur Ruben Östlund über seinen Film zu sprechen.
Triangle of Sadness (Schweden / Deutschland / Frankreich / Großbritannien 2022)
147 Minuten
Komödie / Drama
Ruben Östlund
Ruben Östlund
Harris Dickinson, Charlbi Dean, Dolly De Leon, Zlatko Burić, Iris Berben, Sunnyi Melles, Woody Harrelson, Vicki Berlin, Henrik Dorsin, Jean-Christophe Folly, Amanda Walker, Oliver Ford Davies
Alamode Filmdistribution OHG